Die siebte Maske
verschwand durch den Türvorhang, durch den er aufgetreten war.
Der Butler kam heran. Er blieb zuerst bei dem Dickwanst stehen und wartete, bis dieser einen weißen Briefumschlag aus der Tasche geholt hatte. Diesen klatschte er verdrossen in die ausgestreckte Hand des Butlers, dann verließ er das Zimmer. Erst nachdem er gegangen war und man das Geräusch der zufallenden Haustür vernommen hatte, wandte ›Mr. Sawyer‹ sich an den nächsten. Der brachte ebenfalls einen weißen Briefumschlag zum Vorschein. Auf einmal dämmerte es Phil,
daß Joachims Freunde alle eine Spende in einem weißen Briefumschlag bei sich zu haben schienen. Alle außer ihm.
Er kam als letzter an die Reihe. ›Mr. Sawyer‹ blieb eiskalt vor ihm stehen und streckte die Hand aus. Das Zimmer war leer. Das Publikum war verschwunden, und von Mr. Joachim Fry war weit und breit nichts zu sehen.
»Spende, Sir«, sagte der Butler. Er bewegte seine dicken Finger.
»Tja – wieviel ist üblich?« fragte Phil.
»Wie bitte, Sir?«
»Ich fürchte, das ist mein erstes Konzert. Ich war nicht darauf vorbereitet –«
Die Finger hörten auf, sich zu bewegen, und die Hand sank hinab.
»Was soll das heißen?«
»Nicht mehr und nicht weniger. Ich war noch nie bei einem – äh – Konzert anwesend. Ich war mir nicht schlüssig, wieviel ich –«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
Phil versuchte zu lächeln. »Nein, natürlich nicht.«
»Geben Sie die Maske her«, sagte Sawyer.
Phil nahm sie nur zu gern ab.
»Fry!« rief der Butler. Als sich nichts rührte, bellte er den Namen noch einmal: »Fry!«
Der Konzertpianist trat durch den Vorhang. Er hatte das Jackett ausgezogen und das rüschenbesetzte Hemd aufgeknöpft. Auf seinem Gesicht zeigten sich Sorgenfalten.
»Was gibt’s, Sawyer? Was ist los?«
»Das da ist los«, sagte der Butler. »Ein Neuer!«
»Was?« Fry kam näher und starrte Phil an. »Aber wer ist denn das? Ich habe ihn noch nie gesehen. Sie vielleicht?«
»Keine Spur!«
»Tja.« Phil räusperte sich. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, die heutige Einladung ist nicht direkt an mich persönlich ergangen. Aber Sie werden verstehen –«
»Nein!« grollte Sawyer und packte Phil bei der Hemdbrust. »Ich verstehe gar nichts. Nicht bevor Sie mit der Sprache herausrücken –«
»Sie haben ihn hier hereingelassen!« rief Fry anklagend. »Sie sind schuld. Sie haben diesen Mann eingelassen!«
»Er hatte eine Einladung! Sie hatten doch eine?«
»Ja! Und wenn Sie mich erklären lassen –«
»Das ist eine private Vorführung!« rief Fry, und seine Stimme wurde vor Hysterie immer schriller. »Was fällt Ihnen ein, sich in eine private Gesellschaft einzudrängen? Ich kann die Polizei rufen! Ich kann Sie ohne weiteres festnehmen lassen –«
»Okay, in Ordnung«, sagte Phil, ohne sich durch Sawy- ers härter werdenden Zugriff einschüchtern zu lassen. »Rufen Sie die Polizei, wenn Sie wollen. Aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mein Hemd losließen, Mr. Sawyer.«
»Wer hat Sie hergeschickt? Wie sind Sie zu der Einladung gekommen?«
»Sawyer«, sagte Fry, »durchsuchen Sie seine Brieftasche.«
Mit schnellen, geschickten Fingern fand der Butler die Brieftasche und schlug sie auf.
»Watson«, grunzte er. »J. Watson aus Minneapolis.«
»Jack Watson.« Phil lächelte. »Ich bin Handlungsreisender. Immer auf der Achse, Sie verstehen? Ich verkaufe Küchengeräte. Könnten Sie nicht einen neuen Eisschrank brauchen?«
»Ich kann Auskünfte brauchen«, schnauzte Fry. »Noch einmal – wo haben Sie die Einladungskarte her?«
»Ich habe sie gefunden.«
Die Hand des Butlers krachte gegen Phils Wange. Einen Moment lang war er wie betäubt. Dann löste sich Sawyers Gesicht aus einem verschwommenen roten Nebel.
Phil sagte: »Lassen Sie mich doch ausreden. Ich war in der Bar in meinem Hotel, und da lag die Karte auf dem Boden –«
»Lüge!« schrie Fry.
»Hören Sie mal«, sagte Phil, »ich dachte mir, so ein Klavierabend wäre vielleicht ganz lustig. Aber wenn ich geahnt hätte, was für ein Stümper Sie sind –«
Phil sah die Pranke des Butlers wieder auf sich zukommen. Er machte einen Ruck und riß sich los. Er drehte sich um, war aber nicht sicher, in welche Richtung er fliehen mußte.
»Sawyer!« schrie Joachim Fry. »Halten Sie ihn auf!«
Ein Schraubstock umklammerte sein Genick von hinten. Phil schlug mit der rechten Hand aus, aber er schlug in die Luft. Ein Felsblock krachte von der Seite gegen seinen Kopf, und
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