Die siebte Maske
endlich ein. Sie war an Phil Capice adressiert, und die einleitenden Worte klangen vertraut:
Sie sind herzlich eingeladen zur Teilnahme an einem Klavierabend...
Aber diese Einladung der ›Freunde Joachims‹ unterschied sich von der anderen doch in einem Punkt. Auf der Rückseite stand eine handgeschriebene Mitteilung:
Sehr geehrter Mr. Capice,
angesichts Ihrer Vorliebe für klassische Musik nehme ich mit Sicherheit an, daß Sie diese besondere Darbietung nicht versäumen möchten. Wenn Sie die Güte hätten, eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung zu erscheinen, wäre es mir ein Vergnügen, Sie privat zu empfangen, um über unsere gemeinsamen Interessen zu plaudern. Darauf freut sich schon jetzt Ihr ergebener
Joachim Fry
»Nun«, sagte Phil. »Unser Fisch zappelt an der Leine. Wie sollen wir ihn einholen?«
»Phil kann nicht in das Konzert gehen«, gab Louise zu bedenken. »Mike, du weißt doch, man würde ihn erkennen –«
»Natürlich kann er nicht hingehen«, sagte Mike. »Aber ich sehe keinen Grund, der mich davon abhalten könnte, einen Abend lang Mr. Phil Capice zu sein. Oder?«
Nancy mußte eingeweiht werden. Viel zu oft wurde Mikes Seelenfrieden durch die Entscheidung gestört, bis zu welchem Grad er Nancy über seine Klienten und deren Probleme ins Vertrauen ziehen sollte; normalerweise erleichterte sie ihm die Entscheidung dadurch, daß sie kaum Fragen stellte, auch wenn die Neugier sie fast verzehrte. Aber Adrienne Haven war eine höchst ungewöhnliche Klientin, und was ihr Anwalt vorhatte, war in seiner Art ebenfalls so ungewöhnlich, daß man es nicht geheimhalten konnte.
Als sie von Mikes Plan hörte, äußerte Nancy zunächst einmal Besorgnis.
»Das kommt mir aber sehr riskant vor, Mike«, sagte sie. »Einfach hingehen und sich für jemanden ausgeben, der man nicht ist … Der arme Phil hat dabei draufgezahlt.«
»Phil war nicht auf alle Möglichkeiten vorbereitet«, argumentierte Mike. »Ich bin es. Das ist ein riesiger Unterschied, Schatz.«
»Und was nützt es schon, wenn du zu dem Konzert gehst? Dieser Wahnsinnige wird dir Walter Havens schwarzes Geheimnis bestimmt nicht verraten …«
»Umsonst nicht, nein.«
Zu ihrer Besorgnis kam jetzt noch Verblüffung. »Du wirst dich doch nicht etwa – mit ihm einigen? Du kannst ihm doch nicht gut versprechen, ihn nicht anzuzeigen, falls er dir die gewünschten Informationen liefert?«
»Auf so einen Kuhhandel kann ich mich natürlich nicht einlassen, nicht wahr?« Er legte den Arm um sie. »Schau, Nancy, alles, was ich weiß, ist, daß Walter Haven zu Joachims Freunden‹ gehört hat und erpreßt worden ist. Ich muß herausfinden, weshalb. Was den Erpresser selbst anbetrifft – mit diesem Problem kann sich später Bill auseinandersetzen.«
»Du hast Bill nichts von heute abend erzählt, stimmt’s?«
»Na ja«, sagte Mike. »Du kennst doch Bill. Er würde sofort eine Razzia veranstalten. Er ist immer für den direkten Weg.«
Vorsichtig wandte Nancy ein: »Das ist vielleicht der beste, Mike.«
»Ja, sicher, manchmal. Aber nicht in diesem Fall.« Er lächelte ihr aufmunternd zu. »Sieh mal, Schatz, ich verspreche dir, daß ich heute abend nicht viel riskieren werde. Weißt du übrigens, was bei der ganzen Angelegenheit am unangenehmsten ist?«
»Was?«
»Daß ich meinen Smoking aus dem Mottensack nehmen muß.«
Eine Stunde später war er fertig angezogen. Nancy nahm ihn in Augenschein und gab der schwarzen Krawatte den letzten Schick.
»Du siehst hinreißend aus«, sagte sie, aber die Besorgnis war noch nicht aus ihren Augen gewichen.
Aus diesem Grund verschwieg Mike einen Ausrüstungsgegenstand, den Nancy nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er trug einen Revolver bei sich.
11
D er Butler namens Sawyer musterte Mike derart eingehend, daß er sich sofort unbehaglich fühlte. Strafverteidiger waren zwar keine Berühmtheiten wie Filmstars, aber Mikes Bild war natürlich schon öfter in Zeitungen und Zeitschriften erschienen. War etwa ein Profi vom Schlage Sawyers darauf bedacht, solche Gesichter im Gedächtnis zu behalten?
Die Krise dauerte nicht lange. Sawyers klobige Visage verzog sich zu einem Grinsen, und er sagte: »Treten Sie ein, Mr. Capice. Mr. Fry erwartet Sie schon.«
Er führte Mike durch den Korridor, durch das Vorzimmer, das Phil – inklusive Jugendstillampe – beschrieben hatte, in einen Raum, der vor lauter Unordnung kaum mehr bewohnbar schien.
»Mr. Capice.«
In dem gedämpften Licht sah Mike, wie eine
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