Die Siedler von Catan.
darüber hinaus schätzte sie es nicht, wenn jemand ihrem Gott den gebotenen Respekt versagte.
Godwin senkte reumütig den Kopf. »Entschuldige«, brummte er.
Sie nickte ergeben.
»Nun, ich sehe nicht, was die Götter mit Siwolds Truhe zu tun haben«, warf Candamir ein. »Entweder er zahlt mir den vereinbarten Preis, oder ich bringe die Sache vors Thing. Dann werden wir ja sehen, wer das Recht auf seiner Seite hat.«
»Und das wiederum hat allerhand mit den Göttern zu tun«, bemerkte Siglind säuerlich. »Oder ist dir noch nicht aufgefallen, dass es so gut wie unmöglich ist, vor dem Thing Recht zu bekommen, wenn man dem neuen Glauben anhängt?«
Candamir winkte ab. Er kannte diese Reden zur Genüge
die angebliche Benachteiligung der Christen im Dorf war eines von Siglinds Lieblingsthemen, über welches sie sich gern und häufig ereiferte. Er verschränkte die Arme und grinste sie an.
»Nun, wenn es so ist, kann ich wenigstens gewiss sein, dass ich den vereinbarten Lohn bekomme.«
»Inga?« Osmund betrat seine Halle, nachdem er das Ochsengespann im Hof einem Sklaven anvertraut hatte.
»Wir sind zurück!«
»Deine Frau ist nicht daheim, Herr«, sagte eine scheue Stimme, die vom Herd zu kommen schien. »Sie ist bei Brigitta.«
Osmund musste blinzeln, ehe er das Mädchen entdeckte, dem die Stimme gehörte. Inga zog es vor, in den warmen Monaten tagsüber die Fensterläden zu schließen, damit die Hitze nicht in die Halle gelangte.
Doch seine Augen stellten sich schnell auf das dämmrige Halbdunkel ein. Mit einem Lächeln begrüßte er die junge Sklavin am Feuer. »Birte. Alle wohlauf?«
»Ja, Herr. Setz dich. Ruh dich aus nach deiner langen Reise. Ich bringe dir gleich etwas Gutes«, versprach sie.
»Und mach die Läden auf«, bat er, während er sich müde auf seinen Hochsitz sinken ließ. »Hier ist es finster wie in einem Elasunder Langhaus im Winter.«
Sie trat an das Fenster, das dem Hochsitz gegenüberlag, und stieß den Laden auf. Dann wandte sie sich zu ihm um. »Es ist seltsam. Ich kann mich an die Winter in der alten Heimat kaum erinnern.«
Osmund nickte und hob die Schultern. Birte hatte vielleicht acht Lenze gezählt, als sie die alte Heimat verlassen hatten. Sie war die Tochter von Ingas Amme gewesen, und vor zwei oder drei Jahren hatte Osmund sie dem alten Siward abgekauft. Für ein prächtiges Mutterschaf. Genau wie die junge Fränkin, die Thorbjörn gehört hatte und nun Osmunds zwei Söhne und seine Tochter hütete. Und für die kräftigen, jungen Knechte, die er im Laufe der letzten Jahre erstanden hatte, hatte er je zwei Schafe hergegeben. Es spielte keine Rolle. Er konnte es sich leisten. Reichtum und Besitz waren in Catan nicht von so großer Bedeutung wie in Elasund, denn alle Cataner besaßen genug zum Leben. Doch es blieb eine
Tatsache: War Candamir nach den Maßstäben der alten Heimat wohlhabend, so war Osmund steinreich.
Er verdankte diesen gänzlich unerwarteten Umstand seiner glücklichen Hand mit Schafen, für die er schon früher bekannt gewesen war. Aus den drei Tieren, die sein Onkel ihm kurz nach der Landung so widerwillig überlassen hatte, war inzwisehen nicht nur die größte, sondern auch mit Abstand die beste Schafherde Catans geworden. Und Schafe waren hier immer noch knapp genug, um von allen begehrt zu werden. So war es gekommen, dass Osmund, der einstige Habenichts, sich alle Sklaven leisten konnte, die er haben wollte, und er konnte sie sich aussuchen. Seine Familie und er selbst trugen die kostbarsten Tuche, die in Catan hergestellt wurden. Nichts Auffälliges oder Prahlerisches zwar, aber doch immer von erlesener Qualität. Das Gleiche galt für die Wandbehänge seiner Halle, und der Metbecher, den Birte ihm brachte, war ebenso aus Silber wie Osmunds Leuchter und Fleischplatten.
Birte reichte ihm den Becher und wollte sich abwenden, doch er ergriff ihr Handgelenk und wies ihr mit einer Geste einen Platz auf der Bank.
»Willst du nichts essen?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
Er schüttelte den Kopf. »Später. Wie steht es mit Brigitta?«
»Schlecht, Herr«, berichtete das Mädchen und senkte bekümmert den Kopf. »Sie isst überhaupt nichts mehr, hat deine Frau gesagt, und sie wird von Stunde zu Stunde schwächer. Ich fürchte … es geht bald zu Ende.«
Er nickte versonnen. Nichts regte sich in seiner Miene. Niemand hätte ahnen können, mit welch freudiger Erregung diese Eröffnung ihn erfüllte. Endlich machte die alte Hexe Platz für Inga.
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