Die Silberdistel (German Edition)
tiefen Schluck. Am liebsten hätte ich ihn wie toll geschüttelt, um mehr aus ihm herauszukriegen, doch der Alte ließ sich durch nichts zu einer schnelleren Redeweise bewegen.
Verzweifelt blickte ich von Asa zu dem Alten. Gerade noch rechtzeitig zog ich meinen Arm weg, bevor er mir diesen mit seiner guten Hand tätscheln konnte. Wieder musterte er mich von oben bis unten, dann gab er ein spöttisches Kichern von sich. »Sollst dich nicht beunruhigen, hat er gesagt, der Jerg.«
Mit einem schnellen Handgriff entwand Asa dem Alten die Schnapsflasche.
»Asa!« entfuhr es mir ärgerlich, doch ihr Blick ließ mich wieder verstummen. »Rede endlich weiter, dann bekommst du mehr von dem Zeug!« herrschte sie ihn an.
Endlich sprach der Alte weiter. »Woche für Woche gehen welche von denen über die Grenze und erforschen die Lage. Aber zurückkommen können sie noch nicht. Der Arme Konrad ist noch nicht vergessen von der Obrigkeit. Deshalb sind sie gut aufgehoben in der Schweiz.«
»Wer sind die, von denen du sprichst? Wer ist denn noch mit dem Jerg in dieser Schweiz? Weißt du was vom Stefan, ist der bei ihm? Sind die beiden zusammen?«
Zwei feiste, kleine Augen blickten mich an. »Wieso sollt’ ich dir mehr erzählen, wo ihr einen Wandersmann so gar nicht willkommen heißt? Nicht mal ein Lager für die Nacht habt ihr mir angeboten!«
Unter dem Tisch spürte ich, wie Asa mir einen sanften Tritt verpaßte, was wohl hieß, daß ich meinen Mund halten sollte. Was blieb mir auch anderes übrig? Schließlich war das Asas Haus, da konnte ich schlecht dem widerlichen Alten ein Nachtlager anbieten.
»Alter Mann, du magst zwar weitgereist sein und vieles wissen. Doch eines weißt du anscheinend noch nicht: Bei uns in Taben wird erst bezahlt, nachdem man bekommen hat, was man will. Also: Antworte auf Margas Fragen, und wir sehen weiter.«
Ärgerlich musterte der Alte Asa. So hatte er sich unser Zusammentreffen sicherlich nicht vorgestellt! Statt ein vor lauter Dankbarkeit großzügiges Weib anzutreffen, hatte er es mit Asa zu tun, an der sich schon ganz andere einen Zahn ausgebissen hatten.
»Der Jerg und der Stefan sind zusammen. Und noch ein dritter ist mit dabei, Dettler heißt der. Natürlich sind auch noch andere da, aber die drei stecken immer zusammen, gerade so, als täten sie schon wieder neue Pläne aushecken!« Er kicherte. »Aber viel Zeit werden’s dafür nicht haben. Denn schaffen müssen sie dort wie hier, und nicht zuwenig! Mehr weiß ich aber nicht, ich schwör’s!« Trotzig starrte der Alte vor sich hin.
Asa stand auf und holte aus dem Wandregal im hinteren Teil des Raumes eine volle Flasche Kräuterschnaps. Die würde er bekommen, versprach sie dem Alten, wenn er noch heute weiterzöge. Blitzschnell griff der Mann nach dem Gebräu und machte sich humpelnd und fluchend auf den Weg, ohne sich noch einmal umzublicken.
Reglos blieb ich am Tisch sitzen.
»Puh, den haben wir los! Einen schönen Mittelsmann hat sich dein Jerg da ausgesucht, das muß man ihm schon lassen. Jetzt stinkt unsere Hütte wie ein Saustall, und wir müssen trotz der Kälte lüften!«
»Wenn das deine einzige Sorge ist, dann tust du mir leid«, fuhr ich Asa an. »Wie kannst du nur so gefühllos sein? Da höre ich das erste Mal von Jerg, und du hast nichts anderes im Sinn, als dich über den Mittelsmann zu beschweren!«
»Hast du nicht gemerkt, daß der Alte kaum mehr als Jergs Namen wußte? Der wollte doch nur eine Speise ergattern!«
»Und wenn’s so wäre! Jerg lebt, und das ist die Hauptsache! Aber dich scheint dies ja nicht zu berühren!«
Mit wütenden Tränen rannte ich aus dem Haus. Wie ein wildgewordener Hund suchte ich alle Gassen nach dem alten Mann ab, doch dieser schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Vor keinem Haus, an keiner Ecke, und im Wirtshaus auch nicht – nirgendwo war er zu finden. Vielleicht hatte er sich auf den Weg zur Burg hinauf gemacht! In der Hoffnung, ihn einholen zu können, raffte ich meine Röcke erneut zusammen und rannte quer durch das Dorf. Doch der Burgweg war menschenleer. Der alte Mann war wer weiß wohin verschwunden, und mit ihm meine einzige Möglichkeit, noch mehr von Jerg zu erfahren. In diesem Augenblick war ich auf die Heilerin so wütend wie noch nie. Doch immerhin wußte ich nun, daß mein Mann am Leben war. Nur: Wann würde ich Jerg wiedersehen? Wann seine kräftigen, gebräunten Arme um mich spüren?
Mutlos sank ich auf den kühlen Herbstboden, der sauer nach vergorenem
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