Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Ein lustiger Gesell war das, der meine Trübsal sofort vertrieb und mich mit seiner guten Laune ansteckte! Bevor er mir sein Leid klagte, sang er erst einmal ein Liedchen, machte ein paar ziemlich unflätige Scherze und sagte mir dann, dass ich die schönste Frau sei, die er bisher in Konstanz gesehen habe. Ich lachte und sah mir dann sein Glied an, das mit kleinen roten Pünktchen übersät war. Ein paar davon gingen schon in ein geschwüriges Stadium über und bluteten leicht. Das Übliche! Also gab ich ihm einen Tiegel mit Salbe, die er täglich drei Mal anwenden sollte, und riet ihm, sich eine Weile von Frauen fern zu halten. Er machte ein Gesicht, als hätte er in verdorbenen Fisch gebissen, versprach aber, meinen Rat zu beherzigen. Dann wollte er gehen, doch ich hielt ihn zurück.
»Herr, wollt Ihr mir nicht noch Euer Auge zeigen?«, fragte ich.
Er winkte ab. »Ein Unfall in meiner Kindheit«, lächelte er. »Da ist nichts zu machen. Das Auge ist blind, und das lahme Lid lässt sich nicht mehr heben.«
»Aber der Rand Eures Augenlids ist entzündet«, erwiderte ich. »Er ist rot und geschwollen, und ich vermute, dass das Auge ständig tränt, nicht wahr?«
Der von Wolkenstein zuckte mit den Schultern. »Das ist schon immer so, ich bin’s gewohnt. Viele Ärzte haben sich daran versucht, aber keiner hat helfen können.«
»Ihr verliert nichts, wenn Ihr es noch einmal probiert«, sagte ich und drückte ihm ein kleines Fläschchen meiner Wundtinktur in die Hand. »Ein paar Tropfen auf ein Stückchen sauberes Leinen und fünf Mal am Tag zehn Vaterunser lang auf das Auge drücken.« Das mit dem Vaterunser hatte ich inzwischen von den Christen gelernt.
Er nahm Salbe und Fläschchen und zahlte. »Wenn’s hilft, dann komm ich zurück und geb dir einen Kuss, meine Hübsche«, versprach er und zwinkerte mit dem gesunden Auge. Ich lachte und scheuchte ihn hinaus.
Keine Woche später war er wieder da. Er stellte sich mit seiner Laute vor meinem Wagen auf und begann, ein Lied zu spielen. Heute noch hab ich einen Vers davon im Kopf:
»Mein Freudenmacherin,
meins Herzens Zuckerstück,
du hast mir Herz und Sinn
geraubt und brachtst mir Glück.
Ach du feine, die ich meine,
süße Kleine, Brüstlein, Beine,
ach vereine dich alleine
doch mit mir!«
Die Entzündung an seinem Auge war abgeklungen, und er dankte mir von Herzen, nicht ohne mir noch mehr wirklich unverschämte Anträge zu machen. Doch dann wurde er ernst.
»Hört zu, Magistra«, sagte er. »Ihr habt etwas fertiggebracht, das noch kein Arzt vor Euch geschafft hat, nämlich mein Auge trockenzulegen. Das ist sogar meinem Herrn, dem König, zu Ohren gekommen. Auf seinen Wunsch hin habe ich über Eure Fähigkeiten Erkundigungen eingezogen und nur Gutes vernommen.« Er blickte mir tief in die Augen. »Und nun möchte der König Eure Dienste gern in Anspruch nehmen.«
Ich bekam weiche Knie. »Der König?«
»Nun«, erwiderte der Wolkensteiner, »nicht der König selber. Sondern jemand, der – wie soll ich sagen? – dem König sehr am Herzen liegt. Habe ich Eure Verschwiegenheit?«
Ich nickte. Was sonst.
»Nun gut«, fuhr er fort, »es geht um einen, sagen wir, Bekannten, des Königs, der krank geworden ist. Kopfschmerzen, Leibschmerzen, Fieber, all das. Man hat ihn schon in anderen Räumen untergebracht. Der Papst höchstselbst hat ihm seinen Leibarzt geschickt, diesen hochnäsigen, wie heißt er doch gleich? – Pietro di Bernardo. Der Stümper hat nicht recht helfen können, und nun steht zu befürchten, dass der Kranke womöglich stirbt, bevor er seinen Zweck erfüllt hat.«
»Welchen Zweck?«
»Ach Gott.« Oswald von Wolkenstein verzog jammervoll das Gesicht und sah aus wie ein dicker, trauriger Bär. »Alles Staatsgeschäfte! Das muss Euch gar nichts angehen, meine Hübsche. Ihr sollt nur verhindern, dass der Mann das Zeitliche segnet. Denn es fiele ein unschöner Schatten auf das Angesicht meines Herrn, wenn dieser – Bekannte – sein Leben vorzeitig aushauchen würde.«
»Um wen handelt es sich denn?«, wollte ich wissen.
»Das erfahrt Ihr noch früh genug. Was ist, wollt Ihr nun den Auftrag übernehmen? Es wird Euer Schaden nicht sein, das versprech ich.«
Also sagte ich ja, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen. Noch in der Nacht wollte ich Ciaran von der ganzen Sache erzählen, aber er war so müde, dass ich es sein ließ. Wer weiß, was daraus überhaupt wird, dachte ich. Noch konnte
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