Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
noch nicht erbrochenes Dokument. Es entlockte ihm einen kleinen, triumphierenden Schrei. »Ich hab’s«, frohlockte er, »da nimm, Odo.«
Ächzend rappelte er sich auf, entriss seinem Diener das Pergament wieder und hinkte damit zum Licht.
An dem Schriftstück hingen mehrere Siegel, und er inspizierte sie sorgfältig. Es waren neben dem seines Bruders – der bauchige Krug derer von Riedern mit der Umschrift »deo laus aeternum H comes de Ried« – die Wappenzeichen befreundeter Adeliger. Einen Augenblick zögerte Friedrich noch, dann schob er entschlossen das Kinn vor und erbrach die gelblichen, wächsernen Scheiben. Er begann zu lesen, sein Finger fuhr dabei die Zeilen entlang. Am Ende ließ er das Testament sinken und schloss die Augen. Seine Hände zitterten vor Wut. Schwer atmend humpelte er ans Bett.
»Du elendes Stück Schweinedreck«, zischte er die Leiche seines Bruders an, »du Lump, du verfluchter … « Auf seinen Wangen bildeten sich rote Flecken. »In der Hölle sollst du schmoren, das wünsch ich dir!« Er spuckte aus, dann wandte er sich ab. »Odo, das Kohlebecken. Zünd an.«
Mit einem triumphierenden Grinsen knüllte er das Testament zusammen und warf es auf die Glut. Und der letzte Wille Heinrichs von Riedern verbrannte, bis nur noch ein Häufchen Asche und ein paar Klumpen Siegelwachs übrig waren.
Die nächsten Tage, solange der Leichnam des Grafen in der Burgkapelle aufgebahrt lag, ging auf Riedern nichts seinen üblichen Gang. Man verrichtete die notdürftigsten Arbeiten, sprach nur leise, aß, um den Hunger zu stillen. Heinrich von Riedern war beliebt gewesen bei den Dienstboten, und das war ihre Art, Trauer zu zeigen. Ezzo hielt sich fast dauernd bei den Falken auf, erzählte ihnen mit leiser Stimme vom Tod ihres Herrn, fütterte sie, ja, einmal schlief er sogar bei ihnen. Am dritten Tag ging die Prozession zur Pfarrkirche von Lauda hinüber, ein lautloser schwarzer Wurm. Der Graf fand seine letzte Ruhe in der Familiengrablege, und ein feierlicher Gottesdienst empfahl dem Himmel seine gute Seele. Ezzo verfolgte die Messe an der Hand seiner Mutter. Alles war so traurig, er weinte und wünschte sich zu seinen Falken zurück. Was würde nun werden? War er nun der Herr auf Riedern, wie sein Vater gesagt hatte?
Als er zum ersten gemeinsamen Abendmahl der Burgbewohner nach der Bestattung in die Hofstube kam, war sein Platz am Herrentisch besetzt. Er begriff nicht. Hilflos stand er eine Weile da, bis ihn einer der Aufwarter am Ärmel zupfte. »Du isst ab jetzt am letzten Gesindetisch, sagt der Herr.«
Ezzo verstand immer noch nicht. »Aber … mein Vater hat doch … «
Der Diener zuckte mit den Schultern. Ezzo sah verzweifelt zu Friedrich von Riedern hinüber, der gerade mit gutem Appetit in eine Hühnerkeule biss. Ihre Augen trafen sich. Der Graf hielt kurz inne, hob spöttisch die Brauen und kaute dann grinsend weiter. Mit dem Knochen in der Hand deutete er auf seinen Neffen, der immer noch reglos vor der gedeckten Tafel verharrte, und machte eine Bemerkung zu seinem Tischnachbarn, der daraufhin in lautes Lachen ausbrach. Ezzo senkte den Kopf. Langsam ging er zu den Tischen der Dienerschaft hinüber. Es war wie der Weg in ein anderes Leben.
Testament des Grafen Heinrich von Riedern,
ausgestellt vor Zeugen am 10. Oktober 1395 und
nach seinem Ableben nicht mehr auffindbar.
Wir Henricus comes de Riedern wölln im Angesichtt von lautter erbarn Zeugen und vor Gott bestimmen, wie es mit unßrer irdischen Hintterlaßenschafft gehn soll. Wir erwartten die Endtschaft der Dingk mit Demuth und glauben festiglich daß der Todt wirdt sein die Aufflösung aller Schmertzen und dem wolsterbenden Menschen ein Leben.
Dies söll seyn unßer Vermechtniß:
Item 50 Metzen Waitzen mag haben der Priester zu Lauda zur Ernehrung der Armen, darüber noch 150 Gulden für ein Jahrtag, den er zu unßrer Seelen Heyl abhalten soll.
Item 100 Gulden und ein Weingartten zur Abhaltungk einer Ewigen Meß im Dom zu Würtzburg.
Item 100 Gulden ans Spital zu Würtzburg
20 Gulden für graues Lundisch Tuch an die Armen
Item söll der Hof zu Eichenbühl verkaufft werden und darvon wölln wir zu Gotts Zierde ein Altar in der Kirchen von Lauda stifften.
Item 40 Pfundt Wachs für Altar Kertzen
Alßo auch jedem von der Dienerschafft ein neues Gewandt, ein Gulden und ein Huhn, dem Leo Falkner und der Lies Küchenmagd Wohnungk, Kleider und das Essen uff der Burg ir Leben langk.
Sonsten setzen wir ein unßern liben leiplichen
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