Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
gekämpft. Und dann wirdt Krieg sein in Böhmen.
Dies ist, wie von Euch gewünscht, meine Meinungk über die Dingk im Böhmerlandt. Es ist ein Pulffer Faß. Euer Gemahl tät gut daran, sich beyzeiten zu wappnen.
Euer Majesthät, darmit, so halt ich’s, ist unßer Abred und Übereinkomm zu Endt, wie auch Ihr es gelobet habt. Mit dießem Brief schick ich Euch Euern Ringk mit dem Siegel zurück. Ich werd nit an den Hof zurück kehrn, und zwischen unß muß geschieden sein. Mein Wunsch ist Euer Wohl Ergehn jetzt und immerdar. Dies schreibt Euch mit eygner Handt aus Pragk der Ritter
Ezzo von Riedern,
am nechsten Tag nach Luce anno 1415

Sara
    Ich war so glücklich über Pirlos Genesung, dass ich mit einem von Ciarans Liedern auf den Lippen die Schänke verließ. Es war ein kalter Herbstmorgen; auf den Pflastersteinen glitzerte eine dünne Eisschicht vom Nachtfrost, und ich musste achtgeben, um mit meinen glatten Ledersohlen nicht auszurutschen. Ich überquerte die Gasse, um auf der Sonnenseite zu gehen, wo die wärmenden Strahlen den Reif schon aufgetaut hatten. Durch einen breiten Spalt zwischen zwei fachwerkenen Häusern erspähte ich den Fluss, und dahinter auf einem steilen Hügel die riesige fürstbischöfliche Festung, die nach der Jungfrau Maria benannt war. Die Sonne ließ ihre braunroten Ziegeldächer unter dem kristallblauen Himmel in der Farbe von Pomeranzen aufleuchten. Es war ein schöner Anblick, klar, friedlich und still. Ich blieb einen Augenblick stehen, um das Bild in mich aufzunehmen, und fühlte mich plötzlich seltsam angerührt. Es war, als ob ich damals schon ahnte, dass das Ende meiner langen Reise nicht mehr weit war.

    Zum ersten Mal seit meiner Ankunft ging ich also mit einiger Neugier durch die Stadt, in der, wie ich annahm, meine Eltern und meine Schwester in den letzten Jahren gelebt hatten. Würzburg war zwar viel kleiner als Köln, aber größer als München und Konstanz; man schätzte, dass vielleicht zehn- oder fünfzehntausend Menschen in seinen Mauern lebten. Ich wusste schon genau, wo die Stadtjuden ihre Häuser besaßen, denn ich hatte den Schankjungen gefragt, aber es zog es mich an diesem Morgen nicht gleich dorthin. Ich hatte in der Nacht schlecht geträumt, ein merkwürdiger Traum, in dem ich irgendwann ganz allein auf einem hohen Berg stand und weinte. Ich hatte ihn Janka erzählt, aber sie hatte nur ernst genickt und gesagt: »Ganz gleich, wovor du Angst hast, du musst nehmen, was das Schicksal für dich bereithält. Such deine Familie.«
    Unschlüssig lenkte ich meine Schritte durch eine kleine, mit Bohlen befestigte Gasse zum Fluss, wo ich eine Weile stand und den Booten zusah, die zum Kranen hin fuhren, wo sie be- und entladen wurden. Holz und Weinfässer waren ihre Last, Säcke mit Korn, Blechplatten und große Rollen mit Draht, Rohleder und Felle für den Winter. Ich hörte zu, wie sich die Mainfischer unterhielten, während sie winzige Fischlein aus ihren Reusen holten und in Weidenkörbe warfen. Es war ein Dialekt, den ich ganz gut verstand, denn Zephael, der aus dem Grabfeldgau gebürtig war, hatte so ähnlich gesprochen.
    Dann ging ich weiter zum Dom. Es war ein schmaler, hoher Bau, der seine Türme wie lange, dünne Finger zum Himmel reckte, ein großartiges Denkmal für den heiligen Kilian. Er sah ganz anders aus als der Kölner Dom oder die Münchner Kirchen, es musste ein älterer Baustil sein. Während ich nachdenklich auf der großen Freitreppe vor der Fassade stand, sprach mich eine alte Nonne an und erzählte mir die Legende des irischen Mönchs, der für seinen Glauben zum Märtyrer geworden war: Die heidnische Frau des Frankenherzogs hatte ihn ermorden lassen, weil er ihre Ehe als Todsünde angeprangert hatte – sie war vorher mit ihres Mannes verstorbenem Bruder verheiratet gewesen. Die Geschichte versetzte mir einen schmerzhaften Stich – auch ich war die Witwe des Bruders meines zweiten Mannes. Nur, dass bei uns Juden Brauch war, eine solche Frau mit ihrem Schwager zu verheiraten, damit sie versorgt sei.
    Das Gespenst Chajim tauchte plötzlich wieder vor meinen Augen auf, böse und angsteinflößend, ein Dämon, vor dem mir graute. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde mir wieder erschreckend klar, dass ich immer noch mit ihm verheiratet war. Und dass ich nach den Regeln meines Glaubens – und denen des Christentums – mit Ciaran Unzucht trieb. Ich lebte die Sünde.
    Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Die Verzweiflung

Weitere Kostenlose Bücher