Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
wo sich dessen Fingerspitzen über dem Schwertgriff kreuzten. Es war wie ein Schwur.
Dann verließ er die Kirche und lief durch Schneetreiben zur Burg zurück.
Er hatte seine Flucht sorgfältig geplant. Zu Marcelli, so wusste er, war sein Onkel nach Würzburg geladen, um mit dem Fürstbischof und weiteren Landständen politische Angelegenheiten zu bereden. Das sollte mehrere Tage dauern und ihm einen Vorsprung geben. In der Zeit von Friedrichs Abwesenheit übte der Hausvogt Johann von Berheim die Schlüsselgewalt über die Burg aus. Er war verantwortlich für das Auf- und Zusperren des Tores und der Türen von Küche, Keller und Gewölbe. Wie sonst der Burgherr trug er dann den großen Ring mit den Schlüsseln tagsüber am Gürtel und behielt ihn über Nacht in seiner Kammer. Und der schwergewichtige Hannes war dem Wein mehr zugeneigt als gut für ihn war. Wenn er zu viel getrunken hatte, und das hatte er meistens, schlief er wie ein Stein und man hörte ihn durch die ganze Burg schnarchen. Es sollte nicht schwer sein, an die Schlüssel zu kommen.
Ezzo wartete, bis der volle gelbe Mond hoch am Himmel stand und sich in den Gesindekammern nichts mehr rührte. Sein Entschluss stand fest, und er war ganz ruhig. Leise zog er sich in der Dunkelheit an und griff nach dem Bündel mit seinen wenigen Habseligkeiten, das er schon vorher gepackt hatte. Dann huschte er aus der winzigen Kammer, die in den letzten Jahren sein Zuhause gewesen war.
Draußen auf dem Gang strich ihm freundlich schnurrend eine der allgegenwärtigen Hofkatzen um die Beine; Ezzo fuhr ihr kurz über das Fell und ging dann auf Zehenspitzen weiter, die Treppen hinunter bis zu der eisenbeschlagenen Pforte, hinter der seine Mutter ihren Schlafplatz hatte. Als Speisemagd wurde sie spätabends zusammen mit den Küchenjungen in der Küche eingeschlossen und diente so in ihrer arbeitsfreien Zeit noch als Nachtwache. Das war auf allen Burgen so üblich; man verhinderte dadurch nicht nur unerwünschte Ausflüge derjenigen aus der Dienerschaft, die von nächtlichen Hungerattacken geplagt wurden, sondern auch den Diebstahl teurer Gewürze, bis hin zu einem möglichen Giftanschlag. Ezzo zog ein Stück beschriebenes Pergament aus seinem Hemd und schob es durch den Schlitz unter der Tür durch. Es war sein Abschied, und das Herz wurde ihm schwer. Schon hob er die Hand, um doch noch anzuklopfen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne. Er würde nur wieder schwach werden, wenn er mit ihr redete. Sie würde ihn in die Arme schließen, ihm übers Haar streichen und seine Entschlossenheit durch Bitten und gutes Zureden zunichte machen. Ezzo ließ die Hand sinken. Wenn ich wiederkomme, dachte er, das schwör ich dir, Mutter, dann als Herr von Riedern. Er schluckte; schnell wandte er sich ab und ging weiter. Sein nächster Halt war die Schlafkammer des Vogts. Ezzo wusste, dass sie von innen mit einem hölzernen Riegel versperrt war und hatte auch schon ausprobiert, wie man sie öffnen konnte. Lautlos schob er die dünne Klinge seines Messers durch den Spalt zwischen Tür und Türstock und drückte nach oben. Der Riegel hob sich, und Ezzo schlüpfte hinein. Der milchigweiße Strahl des Mondes fiel vom schmalen Fenster auf die mächtige Gestalt Hannes’ von Berheim. Er lag rücklings auf seinem Strohsack und schnarchte, was das Zeug hielt. Seine rechte Hand hing über den Bettkasten, und darunter lag auf einem Haufen Kleider der Schlüsselbund. Ezzo hielt den Atem an, während er langsam in die Knie ging und danach griff. Es klirrte leise, als die Schlüssel aneinanderschlugen, und sofort hörte der Vogt auf zu schnarchen. Ezzo gefror mitten in der Bewegung und biss sich auf die Lippen. Doch Hannes von Berheim wachte nicht auf, er schmatzte nur, tat einen kleinen Japser und drehte sich umständlich auf den Bauch. Dann war Ezzo auch schon wieder draußen, den Schlüsselring fest an die Brust gepresst.
Im Burghof war alles ruhig. Eigentlich hatte Contz, der Torwart und Türmer, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang über die Burg zu wachen, aber Ezzo wusste, dass er heute nicht auf seinem Posten sein würde. Er nutzte die wenigen Nächte, in denen der Graf fort war, stets zu Besuchen bei seinem Liebchen im Dorf. Auch sonst war niemand zu sehen. Ezzo schlich im hellen Mondlicht über den Hof.
Sein Ziel war der Falkenstall in der Südecke. Drinnen war es stockfinster, aber er hätte sich dort auch blind zurechtgefunden. Er streifte sich einen Falknerhandschuh über die
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