Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
dem festen Stoff und spürte ein Ziehen in seinen Lenden. »Lass mich schauen«, raunte er mit eigenartig dunkler Stimme.
Langsam nestelte sie ihr Hemd auf und entblößte ihre kleinen, spitzen Jungmädchenbrüste. Es war so selbstverständlich, dass Salo der Erste war, der sie sah. Wie hätte sie sich dieser Freizügigkeit, dieser Unanständigkeit, dieser Übertretung der Grenzen schämen sollen?
Sie sah an seinem Kehlkopf, dass er schluckte. Zögernd nahm sie seine Hand und legte sie auf ihre linke Brust. Seine Finger zitterten leicht, aber sie fühlten sich warm und sanft an. Vorsichtig ließ er die gewölbte Handfläche auf ihrer Haut ruhen. Sie war zart und weich wie Seide, und er spürte, wie Sara unter seiner Berührung erschauerte. Nach einer Weile zog er widerstrebend seine Hand zurück, und sie schlang verlegen die Bänder ihres Hemds wieder zu.
Später brachte er sie heim; seit der Scheune hatten sie kein Wort mehr gewechselt. Bevor sie ins Haus ging, fasste er ihre Hand. »Ich muss dir noch was sagen.«
»Was denn?« Sie lächelte ihn an, und er brachte es nicht übers Herz.
»Ach, nichts«, erwiderte er, drehte sich um und ging.
Sara runzelte die Stirn und sah ihm nach, dann hob sie den Riegel und trat in die warme Stube.
Am nächsten Tag, als sie auf die Gasse hinauslief, um den Nachtscherben auf den Mist zu leeren, begegnete sie Chajim, Salos Bruder, der auf dem Weg zu seinem Elternhaus war, wo sich am Schabbat immer die ganze Familie traf. Sara mochte ihn nicht besonders, obwohl er nie unfreundlich zu ihr war. Hinter Chajim ging seine frisch angetraute Ehefrau, eine Pfandleiherstochter aus Speyer, kaum älter als Sara. Sie lief still hinter ihm her und schaute kaum auf. Ihr Mann war schon jetzt einer der reichsten Juden von Köln. Er hatte das Geschäft seines Vaters übernommen und verlieh große Geldsummen vor allem an die Geistlichkeit. Jetzt grinste er, als er Sara sah. »Schau an, Salos kleine Freundin«, meinte er gutmütig. »Schabbat schalom!«
»Schalom alejchem«, grüßte Sara zurück.
»Kennst du schon mein Weib, Esther?«, fragte er. »Sie ist fremd in der Stadt und könnte ein bisschen Gesellschaft gut gebrauchen.« Esther lächelte schüchtern hinter Chajims Rücken hervor, und er tätschelte ihr die Wange. »Und ich kann mir vorstellen, dass du auch ein wenig einsam sein wirst, wenn mein kleiner Bruder erst weg ist.«
Sara erschrak. »Weg?«, wiederholte sie ungläubig.
Chajim zog erstaunt die Brauen hoch. »Ach, hat er noch nicht erzählt, dass er nach Spanien geht? Wie dumm, jetzt hab ich’s wohl verraten.«
Sara hatte das Gefühl, als könne sie sich nicht mehr vom Fleck rühren. Sie stand noch da wie festgewachsen, als Chajim und Esther längst um die Ecke verschwunden waren. Salo wollte fort? Warum hatte er nichts gesagt? Mechanisch kippte sie den Inhalt des Nachtgeschirrs auf den Mist und ging wieder ins Haus. In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett und ließ den Tränen freien Lauf.
Bei Einbruch der Dämmerung, noch bevor die Zeremonie zur Beendigung des Feiertags begonnen hatte, klopfte es zweimal an Levi Lämmleins Tür. Schönla öffnete und stieß einen kleinen Laut der Überraschung aus. Es waren Hirsch Gideon und seine Frau Rahel, Salos Eltern. Ganz offensichtlich hatten sie das Gebot des Schabbat gebrochen, das vorschrieb, am siebten Tag der Woche nicht mehr als dreißig Schritte zu gehen. »Schabbat Schalom«, grüßte Hirsch Gideon mit seiner tiefen, kollernden Stimme. »Wir hätten da etwas Wichtiges zu bereden.«
Schönla trat zur Seite und ließ die beiden in die Stube, wo Levi im Machsor las, dem Gebetbuch der Familie. Auch er hob die Augenbrauen, als er die beiden Besucher sah. »Willkommen in unserem Heim«, sagte er. »Wenn ihr am heiligen Schabbat den weiten Weg hierher gemacht habt, muss das einen besonderen Grund haben. Setzt euch, und esst und trinkt mit uns.«
Die beiden lehnten die Abendmahlzeit dankend ab, aber sie nahmen gern am Tisch Platz. Ein peinliches Schweigen breitete sich aus, bis schließlich wieder Hirsch Gideon das Wort ergriff. »Levi, Schönla – wir sind gekommen, um über unsere Kinder zu reden. Die beiden sind ja seit vielen Jahren unzertrennlich, ihr wißt das wohl. Nun verhält sich die Sache so, dass unser Salo so weit ist, dass er bei Rabbi Meir nichts mehr lernen kann. Und da er Rabbi werden will wie sein Großvater, muss er nun in die Welt hinaus, um sein Wissen zu vervollkommnen. Wir schicken ihn deshalb auf drei
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