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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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»Nun, Herr Ezzo, welcher Dame wollt Ihr also einen Kuss rauben?«
    Alles klatschte begeistert, als Ezzo aufstand und sich tief verbeugte. Einen winzigen Wimpernschlag lang fühlte er sich dazu gedrängt, die Königin selber zu wählen, doch dann verließ ihn der Mut. Schnell trat er zu der nächstbesten Hofdame – es war ein hässliches junges Ding mit schiefer Nase und ungezupften Brauen – und sank vor ihr in die Knie. Das Mädchen riss überrascht die Augen auf, dann beugte sie sich vor und bot ihm ihre Lippen dar. Er küsste sie aufs Züchtigste, dann zog er sich wieder auf seinen Platz zurück. Ein neues Spiel begann.

    Später, es ging schon auf Mitternacht zu, beendete die Königin den Abend, indem sie die erste Kerze ausblies. Ezzo war es recht, er musste kurz nach Sonnenaufgang schon wieder auf dem Turnieranger antreten. Während sich die anderen noch eine gute Nacht wünschten, verließ er die Gesellschaft als Erster und trat ins Vorzimmer, das nur noch spärlich von einer Wandkerze erleuchtet wurde. Er griff nach seinem Umhang, als plötzlich wie durch einen Windstoß die Kerze ausging und es stockfinster im Raum wurde. Er spürte, dass jemand hinter ihm stand und drehte sich um.
    »Ich glaube, Ihr habt heute Abend die falsche Frau geküsst«, flüsterte eine Stimme. Ezzo überlief es heiß und kalt gleichzeitig. War das die Stimme der Königin? Er hätte es schwören mögen, konnte in der Dunkelheit aber nur undeutlich eine weibliche Gestalt erkennen. Sie trat ganz nah zu ihm hin, er roch Rosenduft. Dann erhob sie sich auf die Zehenspitzen, und Ezzo spürte ein Paar weicher Lippen auf seinem Mund. Er begann, den Kuss zu erwidern, streckte die Hände aus, um die Gestalt zu umfassen, da griff er schon ins Leere. Sie war fort.

    Am nächsten Morgen, als er zum Aufsatteln in den Marstall ging, kam eine der königlichen Hofdamen wie zufällig auf ihn zu. Es war die Hässliche, die er zum Kuss erwählt hatte. Wortlos ging sie an ihm vorbei, und er merkte, wie sie ihm dabei etwas in die Seitentasche seines Umhangs steckte. Als sie weg war, zog er es hervor: Es war ein feiner, veilchenfarbener Damenhandschuh – einer, wie ihn die Königin gestern getragen hatte. Er schnupperte daran und roch das Rosenöl.
    Also war es wahr. Er hatte nicht geträumt. Sie liebte ihn wieder.

Sara
    Üer meine Zeit mit Chajim kann und will ich bis heute nicht reden. Ich bringe keine Worte über die Lippen für das, was er mir angetan hat. Die Schmerzen, die Demütigungen, ich mag es nicht aussprechen. Er war zutiefst schlecht, bis ins Mark hinein böse. Es bereitete ihm Vergnügen, eine Frau zu erniedrigen, sie zu Dingen zu zwingen, die gegen alle Natur, gegen all ihre Würde waren. Jetzt verstand ich, warum die arme Esther, seine erste Frau, so still und unglücklich gewirkt hatte, warum man sie nie hatte lachen sehen. Auch ich verlernte es. Chajim war ein Tyrann, der einem die Luft zum Atmen nahm, der allen Frohsinn erstickte.
    Jeden Tag graute mir vor der Nacht, in der ich wieder mit ihm das Bett teilen musste. Bald bereitete mir allein schon sein Geruch Übelkeit, und wenn er mich anfasste, musste ich an mich halten, um nicht zu schreien. Ich verabscheute ihn, ich hasste ihn, ich wünschte ihm täglich den Tod.
    Ich konnte mich niemandem anvertrauen, nicht einmal meiner Mutter. Lieber wäre ich im Boden versunken als auszusprechen, was er mit mir machte. Sie sah wohl, dass es mir schlecht ging, fragte auch manchmal nach. Dann wich ich ihr jedes Mal aus. Alles, was ihr zu meinem Trost einfiel, war der Satz: »Die Liebe wird mit der Zeit schon noch kommen.« Bald besuchte ich meine Eltern kaum noch. Und auch in den Hekdesch konnte ich nur noch selten gehen, denn ich hatte ja nun einen eigenen Haushalt zu führen. Und wie ich dieses Haus hasste, in dem ich leben musste. Oh, es war mit allen Annehmlichkeiten und Reichtümern ausgestattet. Truhen voller Kleider, Tücher und Vorhänge, gewirkte Teppiche an den Wänden, Betten aus feinsten Gänsedaunen. Möbel, die mit kunstvollen Schnitzereien verziert waren, Kerzen aus teuerstem Bienenwachs. Das Geschirr fürs Fleischige war aus dunklem, das fürs Milchige aus gelbem Kupfer. Der Schabbatleuchter aus Silber, die Besamimbüchse vergoldet. Pelze, Mäntel aus teuren Stoffen, Gürtel und Ringe aus Gold. Unsere Judenflecken waren aus gelber Seide. Wir hatten sogar eine eigene kleine Mikwe – wie nützlich, so konnte keine andere Frau meine blauen Flecke sehen, wenn ich zur Reinigung

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