Die Silberne Festung
nickte wortlos, trat an den Bildschirm rechts außen, ließ den Techniker aufstehen und suchte eine bestimmte Datei.
»Diese Bahndaten sind Stunden alt!« sagte Goworow vorwurfsvoll.
»Wir können sie in etwa drei Stunden aktualisieren«, antwortete Gulajew nach einem Blick auf die Wanduhr. »Aber die Bahn der Station ist erratisch, und ihre Höhe nimmt rasch ab. So wird die Bahnverfolgung immer schwieriger.«
Goworow studierte die Bildschirminformationen. Die Stärke der Radarechos ließ darauf schließen, daß die amerikanische Raumstation wie durch ein Wunder noch nicht auseinandergebrochen zu sein schien. Offenbar waren die bisherigen Annahmen über die Obergrenze der Erdatmosphäre korrekturbedürftig. Im allgemeinen galten 130 Kilometer Höhe als der Bereich, in dem Raumfahrzeuge durch Überhitzung als Folge beginnenden Luftwiderstands beschädigt werden konnten; andererseits war bekannt, daß die Erdatmosphäre keineswegs eben war, sondern Täler und Gipfel zwischen 80 und 150 Kilometern aufwies. Die amerikanische Station hätte auf einige dieser Gipfel treffen und dabei beschädigt werden müssen. Aber das war anscheinend nicht passiert…?
Goworow empfand vages Unbehagen, während er sich daran erinnerte, Oberst Woloschin warnend erklärt zu haben, die Armstrong-Raumstation stelle eine Gefahr dar, solange sie im Orbit bleibe. In den vergangenen Wochen hatte er sich in dem Glauben gewiegt, sein Angriff mit zwei Raumflugzeugen habe der Station den Todesstoß versetzt. Aber die Raumstation befand sich nach wie vor im Weltall. Stellte sie noch immer eine Gefahr dar?
Logischerweise mußte diese Frage verneint werden. Die Station würde binnen weniger Stunden wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Der Besatzung des Raumflugzeugs blieb nur wenig Zeit zur Bergung der Leichen – und noch weniger, um die Station wieder in eine höhere Bahn zu bringen. Ihr verspäteter Start kam einem Todesurteil für die Raumstation gleich. Nein, er hatte seinen Auftrag erfüllt… Die amerikanische Station würde nicht mehr lange existieren. Er holte tief Luft und nickte Gulajew zu. »Halten Sie mich über den Flug der America auf dem laufenden. Ich bin in meiner Unterkunft.«
Noch ein paar Stunden, dachte Goworow, während er das Kontrollzentrum verließ und zu seinem Dienstwagen ging. Nur noch wenige Stunden…
Raumflugzeug America
Erst lange nachdem die America ihre Umlaufbahn erreicht hatte, gelang es Ann Page, sich ganz von der Aufregung zu erholen, die der Start mit sich gebracht hatte. Schultz mußte sie beinahe schütteln, damit sie hörte, daß er sie ansprach.
»Wir sind im Orbit«, stellte er fest. »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, aber Sie haben sich einige Minuten lang nicht mehr bewegt.«
»Ich bin erledigt wie nach einem Marathonlauf.«
»Na ja, mit einem gewöhnlichen Shuttlestart ist das nicht zu vergleichen, das steht fest.«
Und das ist eine große Untertreibung! dachte Ann. Im Gegensatz zu einer Raumfähre, die allmählich in die Umlaufbahn aufstieg, spurtete die America in ihren Orbit. Seit dem Augenblick, in dem die Triebwerke des Raketenschlittens, der das Raumflugzeug auf dem langen Startgleis in der kalifornischen Wüste beschleunigte, gezündet worden waren, hatte der starke Andruck Ann in ihren Sitz gepreßt. In nur 15 Sekunden war die America von null auf 300 Stundenkilometer beschleunigt worden… Kaum glaublich, daß ein 315 Tonnen schweres Fluggerät so beschleunigt werden konnte.
Saint-Michael schaltete die Bordsprechanlage ein: »Besatzung, mal herhören! Wir haben nicht viel Zeit und müssen annehmen, daß die Stromversorgung der Station völlig ausgefallen ist. Unser erstes Ziel muß sein, Silver Tower in sichere Höhe zu bringen. Danach wollen wir versuchen, die Stromversorgung wiederherzustellen, die Station auf die frühere Bahn zu bringen, die SBR-Überwachung des Arabischen Meeres mit der Kampfgruppe Nimitz aufzunehmen und erste Reparaturen durchzuführen.
Zwischendurch werden wir wahrscheinlich einen weiteren Angriff abwehren müssen… Ann, du bist für die Anbringung der PAM-Booster am Kiel zuständig. Ich weiß, daß Marty Schultz dir erklärt hat, wo und wie sie anzubringen sind. Noch Fragen dazu?«
»Nein«, antwortete Ann, die noch immer kaum glauben konnte, daß sie die Station reaktivieren würden. »Das ist viel leichter, als es die Abkopplung von Skybolt gewesen wäre.«
»Gut. Marty, Sie sind für das Betanken der Brennstoffzellen im Kiel zuständig,
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