Die Silberne Festung
Sein Entschluß stand bereits fest: Er würde sich nicht jagen lassen, sondern selbst Jäger sein. Nicht aus Ruhmsucht, sondern um die Raumfähre zu etwas Nützlichem einzusetzen, bevor die Russen ihr mit ihren Raketen den Fangschuß gaben.
Schultz drückte auf den Sprechknopf an seinem Steuerknüppel. »Entschuldigen Sie, daß ich mich erst jetzt melde, General. Aber Sie haben vielleicht gemerkt, daß ich an Bord der Enterprise ziemlich beschäftigt bin…«
»Zum Teufel, was haben Sie vor? Wohin wollen Sie eigentlich, Marty?«
»Eins nach dem anderen, General. Ich wollte das Skybolt-Modul an Bord nehmen – und dabei habe ich gesehen, wie die Raketen der russischen Flugzeuge die America getroffen haben… Hampton und Horvath sind tot… Wohin ich unterwegs bin? Jedenfalls weg von Silver Tower.
Schätzungsweise werden die Iwans gleich hinter mir her sein. Nun, ich habe schon immer ausprobieren wollen, was dieses Baby leisten kann.
Und jetzt ist’s endlich soweit!«
Saint-Michael hätte ihn am liebsten erwürgt… Er war so erregt, daß ihm die Ironie dieser Idee gar nicht bewußt wurde. Erst Jerrod Will… dann Marty Schultz. Was hatten diese Shuttle-Jockeys bloß? Warum mußten sie alle Helden spielen?
»Hören Sie, Marty…«
Aber Schultz hörte nicht mehr zu. Während die Haupttriebwerke der Enterprise weiter mit vollem Schub arbeiteten, löste er seine Gurte und schwebte nach hinten zum Arbeitsplatz des Nutzlastspezialisten. Die Ladebuchttüren standen weit offen, so daß er durch die beiden in die Cockpitrückwand eingelassenen Fenster die Ladebucht und einen Sektor des Weltraums hinter der Enterprise sehen konnte.
Er aktivierte das mit Gasdruck arbeitende Steuersystem der Nutzlaststation, überprüfte seine Funktionen und schwenkte den Manipulatorarm aus seiner Halterung. Nachdem er den Arm aus der Ladebucht gehoben hatte, richtete er die Videokamera nach hinten, stellte sie auf Weitwinkel ein und suchte das Weltall hinter der Raumfähre ab.
Schon im nächsten Augenblick hatte er eine präzise Abbildung zweier ihn verfolgender sowjetischer Raumflugzeuge vom Typ Elektron auf seinem Bildschirm.
»Hinter mir sind zwei Elektrons her«, meldete Schultz der Raumstation.
»Aber die beiden werden sich wundern…«
Raumflugzeug Elektron I
»Bleibt dran, verdammt noch mal!« befahl Goworow über Funk. »Die Enterprise darf nicht entkommen!«
Koschedub und Litwjak hatten je zwei ihrer Sichel-Raketen auf die Station abgeschossen, als Goworow plötzlich die Raumfähre unter den Modulen auftauchen und davonrasen sah. Ob das ein Bluff war, konnte er nicht beurteilen – aber die Enterprise schien von einem Astronauten im Raumanzug geflogen zu werden, deshalb ließ Goworow seine Rottenflieger die Verfolgung aufnehmen.
Einen Augenblick lang hoffte er, Litwjak werde diese Aufgabe Koschedub überlassen, denn aus seiner Beobachterposition einen Kilometer über und hinter Elektron II und III hatte Goworow miterlebt, wie Litwjaks zweite Sichel-Rakete – eine einzige Rakete – das an der Station angedockte Raumflugzeug America in einen Feuerball verwandelt hatte. Im Weltall waren Flammen ein seltener Anblick, und an Bord des Raumflugzeugs konnte es keinen Überlebenden gegeben haben.
Goworow, der es für unnötig hielt, die Rückkehr der beiden anderen abzuwarten, drückte auf einen Knopf des neben seinem rechten Knie eingebauten neuen kleinen Schaltpults. Hinter ihm hob ein Hydraulikstempel einen Behälter mit der raumreaktiven Bombe aus dem Laderaum von Elektron I. Die ganze Oberseite des Waffenbehälters war dicht mit batteriegetriebenen Greifarmen besetzt.
Er würde Elektron I unter dem Kiel der Raumstation so nahe an die Wohn- und Technikmoduls heranbringen, wie das möglich war, ohne einen Zusammenstoß mit einer Antenne oder den die beschädigte Station umkreisenden Wrackteilen zu riskieren. Sobald er dort in Position war, würde er die Bombe von unten gegen das Kielgerüst drücken, bis die Greifarme gefaßt hatten, und den Waffenbehälter dann ausklinken. Danach brauchte er nur noch aus sicherer Entfernung – wenigstens fünf Kilometer – die Bombe zu zünden. Eine schnelle, absolut zuverlässige Methode…
Goworow flog langsam an die amerikanische Raumstation heran und blieb hoch über den Modulen, um die Station zunächst in Augenschein zu nehmen. Vor allem durfte er nichts überstürzen. Logischerweise hätte die Besatzung die Station an Bord der Raumfähre oder des Raumflugzeugs verlassen haben
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