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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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brannte nur etwas – so wie bei einem Strick, der einem durch die Hände gleitet. Es war eigentlich etwas zu früh, um die Fäden zu ziehen, sie waren noch ganz blutig und rochen wie die Pest. Daher legte ich sie auch nur auf dem Boden ab statt auf den Tisch und verbrannte sie später. Als das erledigt war, zeigte ich der Frau meine neue Zahnbürste samt Zahnpulver, denn beides steckte in meiner Westentasche. Sie war davon sehr angetan, da sie neuerdings ebenfalls zu den Anhängern dieser Methode gehörte, und lief gleich los, um mir ihre eigene zu zeigen und, womöglich, eine Runde gemeinsam zu putzen. Und so endete es, wie es enden musste. Wir landeten am Waschtisch, standen schrubbend Seite an Seite und strahlten uns aus schäumenden Mündern an. Später, als alles vorbei war, gab es dieses unangenehme Schweigen, da wir beide nicht wussten, was wir sagen sollten, und ich setzte mich aufs Bett. Sie aber sah mich an und dann auf die Tür, als wünschte sie mich weit, weit weg.
    »Komm, setz dich einen Moment zu mir«, sagte ich. »Ich will mit dir reden.«
    »Ich muss wieder an die Arbeit.«
    »Moment mal, ich bin immerhin Gast und erwarte, dass meine Anliegen ernst genommen werden. Andernfalls werde ich mich schriftlich bei der Handelskammer beschweren.«
    »Na gut, das ist etwas anderes.« Sie raffte lächelnd ihren Rock, als sie sich neben mich setzte. »Worum geht es bei deinem Anliegen?«
    »Nichts Bestimmtes. Was war das für ein Brief, über den du dich so gefreut hast? Wer war denn in eurer Familie krank?«
    »Mein Bruder Pete. Ihm hat ein Maultier gegen die Brust getreten, aber es geht ihm schon wieder besser. Mutter sagt aber, man kann den Hufabdruck immer noch erkennen.«
    »Da hat er ja noch einmal Glück gehabt. Ein Huftritt ist kein ehrenvoller Tod.«
    »Tod ist Tod.«
    »Da täuschst du dich. Es gibt verschiedene Arten.« Ich zählte es ihr an den Fingern vor. »Eins: der schnelle Tod. Zwei: der langsame Tod. Drei: früher Tod. Vier: später Tod. Fünf: tapferer Tod. Und schließlich: feiger Tod.«
    »Wie auch immer, er ist immer noch sehr schwach. Ich denke, ich schreibe ihm, dass er herkommen soll. Er kann erst einmal hier arbeiten.«
    »Du und dein Bruder, steht ihr euch nahe?«, fragte ich.
    »Wir sind Zwillinge«, sagte sie. »Wir waren schon immer ganz eng miteinander verbunden. Oft, wenn ich an ihn denke, ist mir, als wäre er direkt im Zimmer. Oder an dem Abend, an dem ihn das Maultier getreten hat: Da bin ich aufgewacht und hatte diese rote Stelle über der Brust, so merkwürdig das klingt.«
    »Merkwürdig ist es wohl.«
    »Ich muss mich im Schlaf gestoßen haben«, erklärte sie.
    »Ach so.«
    »Ist dieser Mann oben wirklich dein Bruder?«
    »Ja.«
    »Dann seid ihr aber sehr verschieden«, sagte sie. »Ich sage nicht, dass er ein schlechter Mensch ist, doch ein guter Mensch ist er auch nicht. Vielleicht ist er ja zu faul dazu.«
    »Gute Menschen sind wir beide nicht, aber es stimmt, er ist außerdem auch noch stinkfaul. Früher zum Beispiel: Er hat sich nie gewaschen. Erst wenn meine Mutter anfing zu weinen.«
    »Was war deine Mutter für ein Mensch?«
    »Sie war ein kluger Mensch. Aber auch ein trauriger.«
    »Ist sie schon lange tot?«
    »Sie ist nicht tot.«
    »Du sagtest, sie war ein kluger Mensch.«
    »Richtig. Aber um die Wahrheit zu sagen, sie will uns nicht mehr sehen. Sie ist nicht einverstanden mit dem, was wir tun, und hat gesagt, sie redet nicht mehr mit uns, bis wir eine andere Arbeit gefunden haben.«
    »Und was macht ihr beide so?«
    »Wir sind Eli und Charlie Sisters.«
    »Oh«, sagte sie. »Du liebe Güte.«
    »Aber dafür ist mein Vater tot. Er wurde umgebracht – und hat es nicht anders verdient.«
    »Nun gut«, sagte sie und stand auf.
    Ich ergriff ihre Hand. »Wie heißt du? Ich nehme an, du hast schon einen Mann. Sag, hast du einen Mann?« Aber sie war schon an der Tür und sagte nur, dass sie sich sputen müsse. Ich stand ebenfalls auf und trat an sie mit der Frage heran, ob ich zum Abschied wenigstens einen kleinen Kuss bekäme. Worauf sie abermals sagte, dass dafür keine Zeit mehr sei. Worauf ich natürlich noch genauer wissen wollte, wie es um ihre (falls vorhanden) Gefühle für meine Person stand. Sie sagte aber nur, dass wir uns dafür noch nicht gut genug kennen, gestand indes eine Vorliebe für schlankere Männer oder zumindest etwas leibärmere Männer, als ich einer war. Obwohl sie es gar nicht böse meinte, trafen mich ihre Worte ins Mark, weswegen ich

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