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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Aber all das war jetzt Vergangenheit, und wir beide waren froh, wieder vereint zu sein. Im ersten Monat in Worcester tat sie fast nichts anderes, als mich an sich zu drücken und zu weinen. So gestaltete sich unser beider Beziehung, zumindest am Anfang, und ich fragte mich, ob es jemals enden würde.
    »Immerhin eine freundliche Frau.«
    »Das stimmt. Es folgten fünf Jahre ungetrübten Glücks, wie ich sie mir nicht einmal im Traum hatte vorstellen können. Durch ihre Familie in New York hatte sie eine kleine Erbschaft gemacht, daher gab es immer genug zu essen, und meine Kleidung war sauber. Und sie förderte mich in meinem Wissensdurst, den ich bereits in jungen Jahren an den Tag legte. Mich interessierte alles, von Mechanik über Botanik bis hin zu Chemie, vor allem Chemie. Leider währte dieser Zustand nicht ewig, denn spätestens mit meiner Mannbarkeit wurde ihr zur Gewissheit, dass ich in Aussehen und Charakter nach meinem Vater kam. Mein Wissensdurst, meine Studien wurden obsessiv, weshalb ich kaum noch mein Zimmer verließ. Sobald sie versuchte, mir etwas Gutes zu tun und mich von meinem Schreibtisch wegzulocken, reagierte ich mit Tobsuchtsanfällen, die uns beide erschreckten. Ich fing an zu trinken, nicht übermäßig viel, doch genug, um ihr gegenüber ausfällig zu werden. Ganz wie mein Vater ließ ich bald kein gutes Haar mehr an meiner Mutter. Das stieß sie natürlich ab, sie hatte ja alles schon einmal durchlitten. Schrittweise und schweren Herzens entzog sie mir ihre Liebe, bis mir nichts anderes übrig blieb, als meine kleine Barschaft zu nehmen und zu gehen. Was ich dann auch tat, und zwar nach St. Louis. Oder sollte ich besser sagen, bis in St. Louis meine kleine Barschaft zur Neige ging und meine Reise zu Ende war? Es war Winter, und ich musste fürchten, vor Kälte und Traurigkeit oder allem beiden zugrunde zu gehen. Also verkaufte ich mein Pferd und heiratete eine dicke Frau, die ich nicht mochte: Eunice.«
    »Warum solltest du jemanden heiraten, den du nicht magst?«
    »In ihrer Hütte brannte ein Ofen, der so heiß war wie die Hölle. Und nach ihrem Äußeren zu urteilen, hortete sie eine solche Menge an Vorräten, dass wir uns bis zum Frühling keine Sorgen mehr zu machen brauchten. Du lachst, aber es war mein einziger Beweggrund: Wärme und genug zu essen. Für ein Plätzchen in einem warmen Bett hätte ich sogar ein Krokodil geheiratet. Und was den Liebreiz dieser Frau anging, hätte ich wirklich besser ein Krokodil geheiratet, denn sie besaß weder Charme noch Anmut, dafür Missmut im Übermaß. Sie war ein nie versiegender Quell der Gemeinheit, dazu hässlich wie die Nacht und roch wie ein Komposthaufen. Kurz gesagt, ein Tier. Als der letzte Cent aus dem Verkauf meines Pferdes verbraucht war und sie allmählich begriff, dass ich nicht vorhatte, je mit ihr zu kopulieren, verstieß sie mich aus ihrem Bett, und ich musste vor dem Ofen schlafen, wo man von oben geröstet und von unten in einen Eisklotz verwandelt wurde, denn es zog erbärmlich durch die Dielen. Auch meine Erwartungen hinsichtlich einer reich gedeckten Tafel erfüllten sich nicht. Eunice verteidigte ihre Vorräte wie eine Bärenmutter. Immerhin, ab und zu fiel ein Napf mit wässrigem Stew für mich ab, weshalb ich heute noch sage, es hätte schlimmer kommen können. Das Gute an solchen Hungerrationen ist ja, dass sie für einen so wertvoll werden, dass man keine einzige davon missen will. Außerdem war es bitterkalt, und ich hatte mich nun einmal entschieden, bei dieser Xanthippe zu überwintern, egal, was kam. Spätestens zur Schneeschmelze, so mein Plan, wollte ich sie ausrauben und in den Frühling verschwinden – das sollte meine Rache sein. Doch kam sie mir erst dahinter und dann zuvor. Eines Tages – ich kehrte gerade aus dem Saloon zurück – saß ein großer und ziemlich ungehobelter Kerl am Tisch und tat sich gerade an ihren Plätzchen gütlich. Ich begriff auf Anhieb, wünschte den beiden alles Gute und ging.«
    »Wie nett von dir.«
    »Ich kam allerdings eine Stunde später zurück, um ihnen die Hütte über dem Kopf anzuzünden. Leider erwischte mich der Mann dabei und trat mir mit solcher Wucht in den Hintern, dass ich meinte, ich könne fliegen. Eunice hat die Szene natürlich vom Fenster aus beobachtet. Es war das einzige Mal, dass ich sie lachen sah. Sie lachte ziemlich lang. Ich gebe es ungern zu, aber nach diesem Erlebnis war ich arg desillusioniert, was Frauen anging, und verlegte mich für eine Weile

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