Die Smaragdreihe 03 - Die Sieben unterirdischen Könige
Staunen.
»Alle Achtung, Elli!« sagte er schließlich. »Dem Tagedieb da habt Ihr es aber gegeben! Doch wisset, nach Eurem Auftreten ist es kaum zu glauben, daß Ihr wirklich nur ein einfaches kleines Mädchen seid.«
»Gewiß nicht, Eure Majestät!« mischte sich Ruf Bilan wieder ein. »Sie ist eine Fee, und nicht umsonst kommt sie schon zum dritten Mal in unser Land. Sie hat von einem Einsturz geschwatzt, aber kann denn ein Einsturz eine Fee verschütten?«
»Hättet Ihr den Einsturz gesehen, würdet Ihr nicht so sprechen«, rief Elli empört. »Das vorige Mal bin ich mit meinem Onkel Charlie in das Wunderland gekommen, weil der Scheuch und der Eiserne Holzfäller uns darum gebeten hatten, aber diesmal ist es gegen unseren Willen geschehen. Und jetzt haben Fred und ich nur den Wunsch, so schnell wie möglich heimzukehren zu unseren Eltern, die um uns trauern. Hab ich recht, Fred?«
»Gewiß«, brachte Fred mit Mühe hervor.
Es war das erste Wort, das er zu den unterirdischen Menschen sagte.
»Laßt uns ziehen, Eure Majestäten«, bat Elli. »Wir werden unsere Freunde wiedersehen und bestimmt ein Mittel finden, das Wunderland zu verlassen.«
»Euch ziehen lassen?« sagte Mentacho kopfschüttelnd. »Das müssen wir uns erst mal überlegen.«
»Laßt sie nicht fort, Eure Majestäten«, kreischte Ruf Bilan. »Ich hab, freilich ohne böse Absicht, Euch des Schlafwassers beraubt, aber ich will Euch ein Mittel zeigen, es wiederzugewinnen. Elli ist eine mächtige Fee, sie hat es schon oft bewiesen, und ihre Zauberkunst vermag vieles…«
In die Gesichter der sieben Könige trat ein Ausdruck lebhaften Interesses.
»Jetzt versteh ich«, rief König Barbedo, »die Heilige Quelle wiederherstellen – ja, das wäre eine Sache!«
»Was fällt Euch ein?« rief Elli mit tränenerstickter Stimme. »Was für eine Heilige Quelle? Was für Zauberkunst? Ich verstehe überhaupt nichts!«
»Bald werdet Ihr alles verstehen«, sagte mit der größten Liebenswürdigkeit König Mentacho. »In unserer bitteren Lage dürfen wir nichts unversucht lassen. Weder Euch noch Euren Gefährten soll ein Haar gekrümmt werden, wir werden Euch die größten Ehren erweisen, aber daß Ihr in die obere Welt zieht, das kommt vorläufig nicht in Frage…«
Dann wurden unsere verstörten Reisenden in den Regenbogenpalast abgeführt.
IN BEDRÄNGNIS
Fred, Elli und Toto bekamen prächtige Zimmer im organgefarbenen Teil des Palastes zugewiesen, und man gab ihnen gut zu essen, obwohl die Lebensmittel im Lande sehr knapp waren. Sie durften auch Spazierengehen, allerdings nur in Begleitung von zwei Spionen.
Zweimal fuhren die Kinder sogar mit einem Segelboot auf dem See. Ein leichter Wind trieb den Kahn über die leicht gekräuselte Wasserfläche, und Elli und Fred hatten fast das Gefühl, wieder in Freiheit zu sein. Aber am Segel saß ein schweigsamer Spion mit finsterem Gesicht und am Steuer ein anderer. Die Könige befürchteten nämlich, daß Elli und ihr Cousin auf dem gleichen Weg, den sie gekommen waren, das unterirdische Land verlassen könnten.
Schon am zweiten Tag ihres unfreiwilligen Aufenthalts in der Stadt der Sieben Könige erfuhren unsere Freunde, was es mit dem Schlafwasser auf sich hatte. Der Chronist Arrigo, ein kleiner hagerer Mann in mittleren Jahren mit klugem Gesicht und ernsten grauen Augen, erzählte ihnen die Geschichte.
Sie erfuhren, wie der königliche Jäger Ortego vor Jahrhunderten zufällig die Quelle mit dem Zauberwasser entdeckte und wie dann der Hüter der Zeit, Bellino, auf die Idee kam, die Könige und ihren Hof einzuschläfern für die Zeit, in der sie nicht regierten.
»Das war gut so«, sagte Arrigo mit angenehmer Stimme. »Das Volk brauchte nur einen königlichen Hof zu ernähren, während die sechs anderen friedlich in den Ablagekammern schliefen und man nur darauf achtzugeben hatte, daß die Mäuse sie nicht benagten und die Motten ihre Kleider nicht fraßen.«
»Und was wäre geschehen, wenn die Mäuse sie benagt hätten?« fragte Elli verschmitzt.
Der Chronist schlug die Hände über dem Kopf zusammen:
»Wie könnt Ihr so etwas sagen! Sie lebten doch, es war ja nur ein Zauberschlaf!«
Elli schwieg eine Weile. Dann fragte sie:
»Sagen Sie, verehrter Arrigo, denkt Ihr Volk nicht darüber nach, wie es die Könige stürzen und ohne sie leben könnte?«
Arrigo wehrte entsetzt ab:
»Ohne Könige leben?! Die königliche Macht haben ja unsere Vorfahren begründet! Und außerdem haben wir ihnen die Treue
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