Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
sich auf ihren Stühlen um, und Trevan zog mit großer Geste das Tuch weg, das den Gegenstand verhüllte. »Viel Spaß damit.«
Es war eine Sitzbank, kleiner als ein Sofa, aber zu groß, um nur für eine Person bestimmt zu sein. Sitzfläche und Rückenlehne waren gepolstert und mit aquamarinfarbener Seide überzogen, die mit kleinen polierten Messingnägeln am Holz befestigt war. Lehnen und Beine waren mit kunstvollen Schnitzereien verziert.
Kelly musterte den rotblonden Bruder mit schmalen Augen. »Ich wusste doch, dass ein paar Bahnen meiner Seide verschwunden waren!«
»So verschmelzt ihr zwei regelrecht mit eurer Sitzgelegenheit«, gab Trevan ungerührt zurück. »Diese Bank ist
dazu gedacht, dass ihr bei den Mahlzeiten nebeneinander sitzen könnt – du weißt das wahrscheinlich nicht, Schwester«, fügte er an Kelly gewandt hinzu. »In der Provinz, aus der unsere Mutter stammte, war es Brauch, dass Ehepaare, besonders wenn sie dem Adel angehörten, beim Essen auf einem Stuhl saßen. Das sollte zeigen, dass das Paar in allen Dingen eins war. In Corvis herrschte diese Sitte nicht, aber trotzdem saßen Vater und Mutter an Festtagen immer gemeinsam auf so einer Bank, vor allem dann, wenn Verwandte zu Gast waren.«
Auf eine Geste des Fünftgeborenen Bruders hin erhoben sich Kelly und Saber. Wolfer und Dominor zogen ihre Stühle weg, und Trevan schob ihnen sein Kunstwerk hin. Kelly nahm Platz, hüpfte ein paarmal auf dem federnden Kissen auf und ab und lächelte dann. »Das ist wirklich bequem, Trevan. Vielen Dank.«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Saber. Er blickte auf ihren Rock, der seine Schenkel streifte, und feixte. »Jetzt können wir unter dem Tisch unbemerkt Dinge anstellen, die …«
Als Kelly ihm einen Rippenstoß versetzte, grunzte er. »Ja, Trev, es ist wirklich herrlich, keine Armlehnen mehr im Weg zu haben.«
Trevan nahm lachend wieder Platz. Alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf Rydan, den nächsten Nightfall-Bruder. Dieser setzte seufzend seinen Becher ab, erhob sich und trat zu dem Gabentisch. Kurz darauf kam er mit zwei kleinen Päckchen wieder, überreichte sie Kelly und Saber und setzte sich wieder. Alles ohne ein einziges Wort.
Als das Brautpaar die Päckchen öffnete, fanden sie darin nahezu identische, aus Stahl und Eisen gefertigte flache Platten vor, die ungefähr der Größe von Sabers Handfläche entsprachen. Um die Ränder verlief ein verschlungenes Muster, und in der Mitte prangten in katanischen Buchstaben
ihre Namen. Saber strich mit konzentriert gerunzelter Stirn über das Metall, dann lächelte er. »Danke, Rydan. Jetzt weiß ich auch, was du so spät nachts noch in meiner Schmiede getrieben hast.«
»Welche Bedeutung haben sie denn?« Kelly drehte ihr Geschenk verwirrt in der Hand. Es sah irgendwie magisch aus, wie ein übergroßer Talisman … aber vielleicht handelte es sich ja auch um einen Untersetzer für Getränkebecher. Sie konnte es beim besten Willen nicht sagen.
»Es sind Schutzamulette, die wir über unser Bett hängen sollen«, erklärte Saber. »Keine gegen uns gerichtete gefährliche Magie kann uns dann etwas anhaben, während wir schlafen. Nachts stehen wir unter Rydans Schutz.«
Kelly strahlte den Schöpfer der Amulette an. »Danke, Rydan. Zu schade, dass ich nicht auch über magische Kräfte verfüge, sonst würde ich so ein Amulett für dich machen – damit du den Tag nicht fürchten musst.«
Der das Licht meidende, dunkle, niemals lächelnde Mann … lächelte. Ein von Herzen kommendes, aufrichtiges Lächeln, das ihn vollkommen veränderte und mit einem Mal überwältigend attraktiv erscheinen ließ.
»Ich danke dir für die gute Absicht, Schwester.« Mehr sagte er nicht, sein Gesicht erstarrte wieder zu einer undurchdringlichen Maske, doch Kelly entging nicht, dass ein warmes Leuchten in seine dunklen Augen getreten war.
Koranen kam als Nächster an die Reihe. Seine beiden Päckchen sahen genauso aus wie die von Rydan. Und sie enthielten ähnliche, aus Kupfer und Bronze gefertigte Amulette wie die, die Rydan ihnen überreicht hatte.
Koranen unterwies seine der Magie unkundige Schwägerin sofort in ihrer Bedeutung. »Diese Amulette beschützen euch vor Feuer in eurer Schlafkammer. So musst du nie wieder fürchten, mitten in der Nacht in einem Flammenmeer zu erwachen, Schwester.«
»Das ist ein gut gewähltes Geschenk«, murmelte Kelly dankbar, während sie über das Amulett strich. Noch immer durchlebte sie im Traum manchmal
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