Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
angeschossen worden!«, schrie sie zurück, wandte sich ab und lief, so schnell sie konnte, zum östlichen Hof. Evanor war natürlich noch nicht da, und so tigerte sie nur nervös im Hof auf und ab, während sich die von Koranen herbeigerufenen restlichen Brüder nach und nach um sie scharten.
Einige Minuten später lenkte Evanor seine Kutsche auf den Hof, hielt an, sprang von der Bank und packte Saber bei der Schulter. »Sie haben Dominor! Ich weiß nicht, was sie mit ihm angestellt haben – sie haben ihn unter irgendeinem Vorwand auf ihr Schiff gelockt«, stieß er atemlos hervor. Kelly kletterte währenddessen bereits in das Gefährt, um nach Trevan zu sehen. »Sie haben gejammert, die Algen im Wasser oder der Teer vom Schiffsrumpf oder das Bilgewasser würden das Salz verderben, also ist er mit ihnen gegangen, um einen Zauber über ihren Laderaum zu verhängen – und dann haben sie mit ihm an Bord die Segel gesetzt. Als ich keine Verbindung mit ihm aufnehmen konnte, hat Trevan die Verfolgung aufgenommen, und sie haben mit diesen seltsamen Waffen auf ihn geschossen.«
Kelly, die Trevans Wunde untersuchte, musste sich nach einem Moment abwenden. Angesichts des zerfetzten Fleisches und des aus einer verletzten Arterie sprudelnden Blutes war jegliche Farbe aus ihrem Gesicht gewichen, und als sie eine Hand auf die Wunde pressen wollte, um den Blutfluss aufzuhalten, wurde ihr schwarz vor Augen. Koranen, dem das nicht entgangen war, löste sie ab, und sie senkte den Kopf und atmete mehrmals tief durch. Größere Verletzungen als Kratzer und Schrammen verursachten ihr Übelkeit, und das Gefühl warmen, unter ihren Fingern hervorquellenden Blutes wollte sie am liebsten
aus ihrer Erinnerung tilgen. Zum Glück war Trevan wenigstens bewusstlos, verspürte im Moment also keine Schmerzen.
Morganen legte ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte sie leicht. »Kelly! Konzentrier dich! Du weißt, was diese Waffen anrichten können – wie sollen wir ihn behandeln?«
Kelly presste die Lippen zusammen, holte erneut tief Atem und zwang sich zur Ruhe. Eine Doyle fiel beim Anblick von – nun ja, mehr als nur einem bisschen Blut nicht gleich in Ohnmacht. »Ich muss überprüfen, ob die Kugel noch im Körper steckt oder ob sie hinten wieder ausgetreten ist.« Sie nahm all ihren Mut zusammen und drehte Trevan behutsam so weit um, dass sie die Rückseite seines Brustkorbs und der rechten Schulter untersuchen konnte. Auch hier war sehr viel Blut ausgetreten. Sie sog zischend den Atem ein, wandte sich ab und beugte sich über die Seitenwand der Kutsche. Mir wird nicht übel. Mir wird nicht übel...
»Ganz ruhig.« Saber hockte sich zu ihr und barg ihren Kopf an seiner Brust. Seine eigenen Erinnerungen an frühere Kämpfe waren vermutlich ähnlich unerfreulich. Was er von der Wunde sehen konnte, ließ darauf schließen, dass sie weitaus hässlicher war als eine durch einen Pfeil hervorgerufene Verletzung.
»Ich … schon gut, es geht schon. Ich bin sicher, dass es ein glatter Durchschuss war … aber die Kugel könnte seine Lunge durchschlagen haben. Ich glaube, sie hat die Hauptschlagader gestreift, denn er verliert Unmengen Blut.« Sie löste sich von ihrem Mann, wappnete sich und legte einen Finger an Trevans blassen Hals. Der Puls war nicht übermäßig stark, aber auch nicht allzu schwach; sie konnte ihn auf Anhieb ertasten, also konnte er nicht zu viel Blut verloren haben. Noch nicht. Diese Erkenntnis beruhigte sie ein wenig. »Die Wunde sieht schlimm aus, aber da die
Kugel nicht mehr darin steckt, könnt ihr euch jeder Magie bedienen, die ihr auch zur Heilung einer durch ein Schwert oder einen Speer verursachten Verletzung einsetzen würdet.«
»Mehr müssen wir nicht wissen, Schwester.« Morganen klopfte ihr auf die Schulter. »Saber, heb sie aus dem Wagen, damit wir sofort beginnen können.«
Saber tat, wie ihm geheißen, und Morganen und Wolfer nahmen Kellys Platz ein. Evanor, der zu aufgeregt war, um ihnen eine Hilfe zu sein, krallte die Finger um den Rand der Kutschenwand, während Koranen seine Schultern umfasste und tröstend auf ihn einsprach. Kelly klammerte sich an Saber fest. Die Zeit, die die beiden Brüder benötigten, um über den reglosen Trevan gebeugt Unverständliches zu murmeln und Gesten zu vollführen, schien sich quälend lange hinzuziehen.
Endlich kauerte sich Wolfer auf die Fersen, und Morganen richtete sich auf und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Er wird am
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