Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
bist?«, erkundigte er sich mit gepresster Stimme.
Sie trat zu ihm und strich ihm über das feuchte Haar. »Armes Baby. Du weißt nicht, ob du imstande bist, mit einem Erdenmädchen fertig zu werden, nicht wahr?«
Er hob den Kopf. Seine Hand schoss vor und schloss sich mit einer Schnelligkeit um ihren Arm, die bewies, dass seine Kriegerreflexe trotz seines angegriffenen Zustandes noch immer funktionierten. Er presste die Lippen in ihre Handfläche. »Nicht heute Nacht, ich leide immer noch unter den Nachwirkungen des Gifts. Und nenn mich gefälligst nicht ›Baby‹. Ich bin ein erwachsener Mann. Was dir inzwischen aufgefallen sein dürfte, weil du mich ein paarmal ziemlich ungeniert angestarrt hast, als ich vom Abtritt zurückgekommen bin.«
Leise in sich hineinkichernd ging sie zu der Schrankkommode hinüber, in der sie ihre Kleider aufbewahrte, zog das ärmellose Hemd heraus, das sie sich angefertigt hatte, und streifte es über. Nachdem sie sich ein trockenes Tuch um den Kopf gewickelt hatte, zog sie einen Stuhl an den Wannenrand heran, goss sich und ihm den Rest des Saftes aus dem dritten Krug ein, den die Brüder ihnen gebracht hatten, und sah zu, wie er ihn seufzend hinunterstürzte. Dann betrachtete sie ihn bewundernd, als er untertauchte, und stieß selbst einen Seufzer aus, sowie er wieder zum Vorschein kam.
Saber fuhr sich mit der Hand über die Augen und musterte sie forschend. »Was ist denn?«
»Heute Nacht nicht – leider. Dieses verflixte Gift«, erwiderte sie wehmütig.
»Kelly …wenn du siebenundzwanzig Jahre alt bist und in deiner Kultur auf Jungfräulichkeit kein großer Wert gelegt wird …« Saber wusste inzwischen, dass sie es vorzog, wenn man im Gespräch mit ihr direkt zur Sache kam und war dankbar dafür. »Wie kommt es dann, dass du noch keine Erfahrungen mit Männern gesammelt hast?«
»Überfürsorgliche Eltern, keine wirkliche Begeisterung
für diese Dinge, keine Zeit dafür, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, mein finanzielles Überleben zu sichern …« Sie stützte das Kinn auf eine Hand und einen Ellbogen auf den Wannenrand, während sie nachdachte. »Ich habe meinen Eltern versprochen, ich würde versuchen, bis zu meiner Hochzeit damit zu warten. Und vielleicht … ich bin mir immer so vorgekommen, als wäre ich in die falsche Zeit hineingeboren worden. Ich meine, ich bin aufs College gegangen, habe einen Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht und hatte danach eine Reihe guter Jobs, aber es gab nicht sehr viele Mädchen meines Alters, die sich für dieselben Dinge interessierten wie ich. Ich habe schon mit zwölf meine Vorliebe für Näh- und Stickarbeiten entdeckt und mich mit dreizehn den Freunden des Mittelalters angeschlossen, nachdem mich die Eltern einer Freundin zu einem Treffen mitgenommen hatten.
Und von da an ging es in puncto soziale Kontakte bergab«, fügte sie mit einem selbstironischen Kopfschütteln hinzu. »Ich nähte meine eigenen Halloweenkostüme – im Stil des Mittelalters, versteht sich – schneiderte mein eigenes Tanzstundenkleid, und ich sticke auch heute noch lieber, als dass ich fernsehe. Aber Radio höre ich gern. Dein Bruder gibt übrigens einen ganz ordentlichen Radioersatz ab«, spielte sie lachend auf Evanor an. »Vor allem, weil ich Folk und klassische Musik bevorzuge, und genau das singt er ständig.Von meiner Warte aus betrachtet jedenfalls.«
Sie schwieg einen Moment, dann sah sie ihn freimütig an. »Versteh mich nicht falsch, ich habe eine ganze Reihe von Jungen geküsst und auch im vollbekleideten Zustand ein paar … äh, anatomische Studien betrieben, und ich hatte fünf Freunde – ihr würdet sie wohl als ›Verehrer‹ bezeichnen -, mit denen ich ausgegangen bin, aber das war nichts Ernstes. Außerdem habe ich dank der Bemühungen meiner Freundinnen eine ausgezeichnete theoretische Ausbildung genossen. Aber ich habe nie den Wunsch verspürt,
mit einem Liebhaber ins Bett zu gehen«, erklärte sie offen. »Bis ich dich kennengelernt habe. Du siehst gut aus, bist intelligent, geistreich und unterhaltsam, wenn du mich nicht gerade anbrüllst, und ich fühle mich sehr stark zu dir hingezogen. So … und wie steht es mit dir? Da du ein Mann bist, nehme ich an, dass du einige Eroberungen zu verzeichnen hast.«
Er errötete leicht, was sie anrührte, vor allem, seit sie wusste, dass er zwei Jahre älter war als sie. Sie hatten viel übereinander in Erfahrung gebracht.
»Ja, das schon, aber ich habe nur mit einigen wenigen
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