Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Palatin veranstalteten Aufführung in einer Vorstellung des Domitian spielte, konnte er sich leicht die dauernde Ungnade des Titus zuziehen. Es schien sein Verhängnis, sich die Ausübung seiner Kunst immer wieder mit Gefahren erkaufen zu müssen. Als er in dem »Cato« des alten Rebellen Helvid spielte, war es geradezu um seinen Kopf gegangen. Allein er war zermürbt von dem langen Warten auf den »Laureol«. Mochte erfolgen, was immer, er nahm das Anerbieten des Marull an.
      Solange Titus den Demetrius bevorzugte, hatte Domitian von ihm mit Verachtung gesprochen. Nun der Kaiser ihn anscheinend fallenließ, erklärte sich Domitian bereit, das Theater der Lucia mit dem »Laureol« zu eröffnen.
      Demetrius, während er das Publikum beobachtete, das sich in Albanum einfand, beglückwünschte sich, daß er für Domitian spielte, nicht für Titus. Das Theater der Lucia war kein großer Bau, es faßte knapp zehntausend Zuschauer, aber es war von luxuriöser Schlichtheit, im Stil gewisser moderner griechischer Theater, sehr geeignet für den »Laureol«, raffiniert in die Landschaft eingebaut, mit schönem Blick übers Meer und über den See. Auch freute es den Demetrius, daß er den Laureol nicht dem großen, jauchzenden Pöbel Roms vorzuführen hatte, sondern einer ausgewählten Versammlung von Kennern.
      Der Kaiser langte an, die Einweihungszeremonien fanden statt, die Priester besprengten die Türen und den Altar mit dem Blut von Schwein, Lamm und Stier. Endlich senkte sich der Vorhang in den Boden.
      Es war dieser neunzehnte März ein schöner Tag, nicht zu warm und nicht zu kalt, das Publikum war gut gelaunt, neugierig, aufnahmefähig. Man hörte interessiert zu und lachte herzlich über die ersten Szenen und Lieder. Bald aber ließ die Aufmerksamkeit nach. Niemand hätte angeben können, wieso und warum; das Stück war gut, Demetrius hatte niemals eine Rolle gespielt, die ihm besser gelegen wäre. Aber die Zuschauer langweilten sich, die Witze fielen lahm zu Boden, die Couplets wirkten frostig, fast alles verpuffte. Mit einer so dankbaren Rolle wie dem Laureol ein römisches Publikum zu ermüden, wäre selbst einem unbegabten Darsteller schwergefallen: der große Schauspieler Demetrius brachte das Kunststück fertig.
      Marull, der Stoiker, der sich dazu erzogen hatte, daß Glück und Unglück an ihm abprallten, ärgerte sich. Es ging ihm nicht um sein Stück. Er wußte, daß die bittere, elegante Posse, die er geschrieben hatte, gut war. Er wußte auch, daß jede Theateraufführung abhing von tausend Zufällen und daß vielleicht die Änderung irgendeiner winzigen, unwägbaren Äußerlichkeit genügt hätte, genau das gleiche Publikum, das sich jetzt in guter Haltung langweilte, jubeln zu machen. Dies alles wußte er, damit hatte er sich längst abgefunden. Trotzdem kränkte ihn das Mißgeschick der Aufführung und des Demetrius Liban mehr als irgendein Erlebnis seit vielen Jahren. Dabei schien Demetrius von dem, was vorging, nichts zu merken. Dieser Mann, sonst abhängig von jeder Regung seines Publikums, wollte die Frostigkeit seiner Hörer nicht wahrhaben. Er wußte: was er gab, war Kunst, und wenn kein anderer diese Kunst genoß, so genoß er sie. Er ließ nicht nach, er erlahmte nicht. Er spielte sich das Herz aus dem Leib, sein tapferes, feiges, ruhebedürftiges, von allen Eitelkeiten zerrissenes Herz. Die Szene kam, da Laureol dem Gericht die Beweise bringt, daß er er ist. Demetrius trat vor, sang sein Couplet: »Ja, das ist die Haut, / Ja, das ist das Haar, / Ja, das ist der ganze Räuber Laureol.« Und jetzt endlich ging selbst dieses Publikum mit, das mit seinem Urteil längst fertig und gewillt war, Stück, Darstellung und Theater schlecht zu finden, und man verlangte das Couplet noch einmal und ein drittes Mal, und auch beim drittenmal hörte man schallend, herzhaft und voll das Lachen der Prinzessin Lucia. Aber das nützte nun nichts mehr.
      Demetrius-Laureol wurde exekutiert. Er hing am Kreuz. In bitteren Versen überlegte er sterbend, ob er nicht doch besser daran getan hätte, auf die Ehren des Räubers zu verzichten und sein Leben in ländlicher Stille zu Ende zu führen, trumpfte aber gleichzeitig vor seinen Genossen ein letztes Mal auf, daß die Fülle seiner Leiden trotz allem das ihre übertreffe. Und jetzt endlich, dies alles den Zuschauern vorlebend, gestand er sich in seinem heimlichsten Herzen ein, daß, was er gab, zwar große Kunst, aber seine Karriere endgültig vorbei

Weitere Kostenlose Bücher