Die Söhne.
war.
Prinz Domitian wollte lange nicht wahrhaben, daß die Eröffnung des Theaters der Lucia ein Mißerfolg war. Ihm selber gefiel die Vorstellung nicht sonderlich. Aber da Lucia und Marull fanden, das Stück sei geglückt und DemetriusLaureol unübertrefflich, so war es nicht ein Durchfall der Aufführung, sondern böser Wille der Hörer. Es war auch kein Wunder, daß sie sich nicht zu freuen wagten, wenn sie die gelangweilte Fratze anschauten, die sein Herr Bruder zu schneiden beliebte.
Sie saßen in der Loge, nebeneinander in einer Reihe, er, Titus, Julia und Lucia. Bübchen schaute über die Schulter nach den Gesichtern der andern, sah das interessierte, belustigte Antlitz der Lucia, das schlaffe seines Bruders. Sicherlich ahnte, wahrscheinlich wußte Domitian, was zwischen ihr und Titus war, aber er wollte es nicht wissen. Sosehr es in seinem Innern nagte, daß Lucia sich gerade diesen ausgesucht hatte, er erlaubte sich trotzdem nicht, vor sich selber seinen täglich wachsenden Haß gegen den Walfisch anders zu begründen als bisher. Jetzt, da er das müde, gelangweilte Gesicht des Titus sah, sagte er sich nur, so tief also hasse ihn der Bruder, daß er ihm selbst die harmlose Freude an der Eröffnung seines Theaters durch offensichtliche Teilnahmslosigkeit vergällte. Immer heftiger fraß sich der Verdruß in ihn ein. Titus, einfach durch sein Gesicht, verbot seinen, des Domitian, Gästen, sich des Schauspiels zu freuen, befahl ihnen, Langweile, Mißbilligung an den Tag zu legen, weil sie in einem Theater des Domitian saßen. Und während Laureol am Kreuz seine Genossen herausforderte, wo sei jetzt einer, dessen Leiden an das seine herankönne, kam Domitian zu der Überzeugung, daß auf der bewohnten Erde nicht Platz genug war für ihn und seinen Bruder.
Unmittelbar hinter Titus saß sein Leibarzt, der Doktor Valens. Domitian, die Arme eckig nach hinten, die Oberlippe kräftig vorgewölbt, beschaute aufmerksam das blasse, lange Gesicht des Mannes. Marull hatte ihm berichtet, wie sehr es den Valens gekränkt hatte, daß der Walfisch während der Epidemie ägyptische und jüdische Ärzte herangezogen. Das Gesicht des Titus sah gedunsen aus, kränklich und wenig nach »Liebe und Freude des Menschengeschlechts«. Vielleicht war Valens mit seiner Augendiagnose ein brauchbarer Mann. Er hatte das Vertrauen des Titus und fühlte sich hintangesetzt. Marull klagte immerzu, daß die Ärzte ihm gegen sein Zahnleiden nicht helfen konnten. Wie wäre es, wenn Marull einmal den Valens zu Rate zöge und bei dieser Gelegenheit ein Wörtchen über des Titus Krankheit fallenließe? Vielleicht fiele ein solches Wörtchen auf guten Boden.
Der Knabe Paulus lebte wie früher im Hause des Josef. Das Haus schien ihm noch finsterer; seine Mutter und sein Lehrer Phineas waren nicht mehr da. Josef erlaubte, daß er alle vierzehn Tage nach Albanum hinausfuhr, um Dorion zu besuchen. Allein Phineas, das hatte er zur Bedingung gemacht, durfte dann nicht dort sein. Josef selber pflegte den Knaben nach Albanum zu begleiten. Er ging während der zwei Stunden, die Paulus im Hause der Mutter verbrachte, in der hügeligen Landschaft herum, wartend, wann endlich die Zeit vorbei sei, und der Gedanke an den wartenden Vater nahm dem Jungen die unbefangene Freude an der Mutter.
Josef widmete sich seinem Sohne mit ganzem Herzen und mit ganzem Vermögen. Er lernte mit, was der in der Schule studierte. Arbeitete an der Verbesserung seines eigenen griechischen Akzents. War im Gespräch mit dem Sohn um die Reinheit des griechischen Wortes mehr bemüht, als wenn er vor dem Kaiser und den Literaten Roms rezitierte. Nahm alle Mahlzeiten zusammen mit Paulus. Bekümmerte sich um seine kleinen Liebhabereien. Versuchte selber, übrigens ohne Glück und Talent, Tonfigürchen zu kneten. Schrieb an den Verwalter seiner Güter in Judäa, um Einzelheiten zu erfahren, wie man dort die Ziegen nähre und halte; denn die Ziegen Judäas waren die schönsten und kräftigsten. Die Geißböcke Hiobs hatten es mit Wölfen aufgenommen, und die des Doktor Chama hatten Bären bewältigt. Allein Paulus hörte diese Geschichten mit höflichem Unglauben an, und das Laub vom Zimtbaum, das der Verwalter als besonders heilsam für Ziegen sandte und das ziemlich verwelkt ankam, empfing er mit wohlerzogenem Dank, ohne Schwung.
Josefs seltene und behutsame Versuche, dem Sohn jüdische Wissenschaft beizubringen, waren wenig glücklich. Ach, er durfte nicht daran
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