Die Söhne.
Knaben, der Knabe war ein Grieche und ließ sich nicht zum Juden machen. Was er dem Knaben geben konnte, nutzte dem nichts. Josef erreichte nur, daß der Knabe verkümmerte. Es gibt Tiere und Pflanzen, die sich von Stoffen nähren, die den Menschen töten würden; sie aber können ohne diese bösen Stoffe nicht leben. So kann sein Junge nicht leben ohne Dorion und Phineas.
Langsam, in schlaflosen Nächten, grübelte Josef über den Sinn, der hinter all dem stecken mochte. Wenn er es nicht einmal erwirken konnte, daß sein Sohn, sein Fleisch und Blut, einen Funken seines Geistes aufnahm, was bedeutete das? Hatte er sich vermessen? War er, der jüdischen Geist in der Welt verbreiten wollte und ihn nicht einmal auf seinen Sohn übertragen konnte, von Gott als zu schwach befunden worden und verworfen? Oder war der Sinn des Zeichens ein anderer? Von den Römern und Griechen verlangte er dreist und kühn, sie sollten auf das verzichten, was sie für den besten Teil ihrer Nationalität hielten: haftete nicht vielleicht er selber zu fest an seinem Judentum? War das der Sinn des Zeichens? War das Versagen vor seinem eigenen Sohn eine Mahnung an ihn, mehr von seinem Judentum aufzugeben?
Nein, so konnte es nicht gemeint sein. Es gab keinen andern Weg zum Weltbürgertum als den über die jüdische Lehre. Die Götter Roms und Griechenlands trugen viele Gesichter, doch es waren lauter nationale Gesichter: der unsichtbare Gott Jahve war ein Gott über den Nationen, er rief alle zu sich. »Es ist ein Geringes«, so hatte er sich seinem Propheten Jesajas offenbart, »daß du die Söhne Jakobs aufrichtest; vielmehr habe ich dich zum Licht der Heiden berufen.« Jahve schloß keinen aus, nicht Griechen und Römer und nicht die verachteten Ägypter und Araber. Er verkündete, als einziger von allen Göttern er, durch den Mund seiner Propheten den ewigen Frieden zwischen allen Völkern, eine Welt, da die Wölfe bei den Lämmern liegen würden und da die Erde voll sein sollte von friedlicher Weisheit wie das Meer von Wasser. Es gab keine Leiter zu der Höhe dieses Gedankens als die jüdische Lehre. Solange nicht ein zweiter, glücklicherer Dädalus eine Maschine erfand, mit der man fliegen konnte, mußte man, um auf den Gipfel eines Berges zu gelangen, ihn ersteigen und konnte sich den Aufstieg nicht sparen. Heute aber und in dieser Welt heißt der Berg und sein Aufstieg: Judentum.
Und doch, das alles sind Sophistereien, mit denen er den eigenen Nationalismus verkleiden will. Er hat, des Geistes voll, den Kosmopolitischen Psalm geschrieben: aber es ist nicht schwer, am Schreibtisch kühn und ein Kosmopolit zu sein. Es ist nicht schwer, Kosmopolit zu sein, solange Opfer nur den andern abgefordert werden, nicht einem selber.
Dem Abraham wurde auferlegt, daß er seinen Sohn opfere für seine Sendung. War das, was er jetzt durchmachte, eine Prüfung?
Lobet Gott und verschwendet euch über die Länder. Lobet Gott und vergeudet euch über die Meere. Ein Knecht ist, wer sich festbindet an ein einziges Land. Nicht Zion heißt das Reich, das ich euch gelobte, Sein Name heißt: Erdkreis.
Das waren tapfere Verse. Aber es waren Verse. Der Knabe war Fleisch und Bein. Es war das erstemal, daß der Jude Josef beweisen sollte, daß er mehr war als ein Jude. Es war billig, sich im Geist über die andern hinauszuheben und dann, wenn es einen sichtbaren Verzicht galt, brav und träg dem ererbten Gefühl zu folgen gegen die bessere, schmerzhafte, neue Einsicht. Nein, er wird sich nicht drücken.
Doch wenn er jetzt den Knaben preisgibt, wird niemand, auch Alexas und Licin nicht, das begreifen. Man hatte gespannt darauf geachtet, wie sein Streit um Paulus enden wird, es war ein Kampf um große Prinzipien gewesen, er hatte gesiegt. Wenn er jetzt freiwillig auf die Frucht dieses Sieges verzichtet, wenn er sich fallenläßt, wenn er seinen Sohn nicht zum Juden macht, dann wird er in den Augen aller nicht etwa ein Held sein, sondern eine Possenfigur, oder bestenfalls ein Komödiant. Nicht beispielhaft wird seine Entsagung sein, nur lächerlich. Die Juden werden glauben, er wolle sich durch seinen Verzicht bei Griechen und Römern einschmeicheln. Die Griechen werden ihn einfach für wahnsinnig halten. Die Kollegen werden erklären, er wolle durch Snobismus für seine Bücher Reklame machen.
Er muß die Kraft haben, der Stimme in sich zu folgen, nicht der Stimme der andern.
Er überwand sich. Er sagte dem Paulus, er könne zu
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