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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Hausbeamten des Tempels waren noch lange beschäftigt, das Gebäude zu reinigen und zu lüften. Tief in die Nacht hinein arbeiteten sie beim Scheine der Leuchter und Fackeln. Einsam in dem großen, leeren Saal standen die Bilder der Dichter und Denker, und der Kopf des Josephus schaute über den Raum, hager, fremdartig schimmernd.
      Der Wortlaut der Vorlage und der Kaiserlichen Genehmigung wurde in Erz gegraben, und am Morgen nach dem zehnten Tag, vor dessen Ablauf kein Gesetz Geltung erlangte, wurde die Erztafel, die dieses »Gesetz des Antist« enthielt, versehen mit der Bezeichnung Nummer 2217, im Staatsarchiv hinterlegt. Abschriften des Gesetzes in griechischer und lateinischer Sprache wurden in alle Provinzen gesandt, und der Bürgermeister jeder einzelnen Stadt teilte seinem Magistrat mit, es sei ein Schreiben des Kaisers und des Senats angelangt. Er reichte das Schriftstück herum, auf daß man sich von der Echtheit der Siegel überzeuge, und alle Mitglieder des Magistrats, auch die jüdischen, hatten, so wollte es die Vorschrift, das Dokument in stehender Haltung, entblößten Hauptes, an die Brust zu drücken und zu küssen. Dann erst wurde es verlesen.
      Die kaiserlichen Minister und die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft waren gute Psychologen und hatten dem Beschluß eine milde Fassung gegeben. Immerhin wurde durch das »Gesetz des Antist« eine Sitte, die den Ägyptern teuer war, als barbarisch gebrandmarkt, und die Juden durften zwar auch in Zukunft die in ihrer Nation Geborenen in den Bund ihres Gottes aufnehmen, aber sie sahen sich verhindert, diesen Bund über die Erde weiterzuverbreiten, wie ihre Propheten es ihnen vorschrieben. Die Erregung war groß. Zum erstenmal, seitdem die Stadt Alexandrien, die Hauptstadt des Ostens, existierte, fand dort eine Versammlung statt, in der Juden und Ägypter gemeinsam gegen ein römisches Gesetz demonstrierten.
      Im ferneren Osten, im Gebiet des Euphrat, wo viele Juden saßen, wuchs die Gegnerschaft gegen das Reich. Das neue Regime, hieß es, die neue Dynastie, wolle Freiheit und einheimische Sitte unterdrücken. Es stand in dieser Gegend ein Mann auf und gab vor, er sei der Kaiser Nero, es sei ihm gelungen, vor zwölf Jahren den Nachstellungen des Senats zu entkommen, und er rüste sich nun, nach Italien und nach Rom zurückzuziehen und dem Volke die Freiheit wiederzubringen, die die neue Dynastie und die despotische Aristokratie der Hauptstadt ihm genommen. Der Mann fand viele Anhänger, am Hofe des Partherkönigs erwog man ernstlich, ob man ihn nicht offiziell anerkennen solle, und der Gouverneur der Provinz Syrien mußte ansehnliche Truppenkontingente gegen ihn vorschicken.

    Einer der wenigen Juden, auf die das Gesetz gegen die Beschneidung keinen Eindruck machte, war der Schauspieler Demetrius Liban. Er war von seinen beruflichen Sorgen so angefüllt, daß ihm die übrige Welt versank.
      Es war falsch gewesen, daß er sich anläßlich der Hunderttägigen Spiele zur Darstellung des Juden Apella hatte überreden lassen. Er hatte nicht nur mit schlechtem Gewissen, sondern auch mit schlechter Kunst gespielt. Trotzdem er jetzt doch reifer war als vor sechzehn Jahren, war sein Apella schlechter ausgefallen als damals. Die Furcht vor den politi schen Folgen des Stückes hatte ihn gehemmt, so daß er nicht wagte, aus sich herauszugehen. Er war lahm geblieben, weder tragisch noch komisch, die Römer waren gelangweilt gewesen, die Juden erbittert, und beide, Demetrius hatte Urteil genug, das zuzugestehen, hatten recht.
      Das Schlimmste aber war, daß der Intendant versuchte, ihn um den Preis seines Opfers zu prellen. Er drückte sich um sein Versprechen herum, ihn endlich den Seeräuber Laureol spielen zu lassen. Mit vielwortiger, tückischer Freundlichkeit stellte er ihm vor, es liege in des Schauspielers eigenem Interesse, mit dem »Laureol« zu warten, bis man den Mißerfolg des »Apella« vergessen habe. Mit seinen ewigen Sticheleien, mit seinen süßen Reden, wie pfleglich man den Ruhm eines Schauspielers behandeln müsse, brachte er ihn zum Rasen.
      Es war Marull, der eine Lösung fand. Er hatte an dem »Laureol« mit Liebe gearbeitet und war nicht geduldig genug, die Verzögerungstaktik des Palatin hinzunehmen. Er erbot sich, bei Domitian dahin zu wirken, daß der bei der Eröffnung des Theaters von Albanum den »Laureol« aufführe. Demetrius zögerte. Der Vorschlag war gefährlich. Wenn er jetzt den Laureol statt in einer vom

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