Die Söhne.
seiner Mutter zurückkehren und in Albanum weiterleben. Zum erstenmal, seitdem der Knabe wieder in seinem Hause war – Josef sah es mit zerreißendem Gefühl –, leuchtete sein Antlitz auf. Er nahm die Hand seines Vaters und drückte sie heftig.
Josefs Verzicht auf den in so heißem Kampf erstrittenen Sohn erregte den Sturm, den er erwartet hatte. Man hielt ihn für einen Narren oder für einen Lumpen oder für beides. Er hatte das vorausgesehen; trotzdem füllte es ihn mit Zorn und Verzweiflung. Er sagte sich, es sei aussichtslos, an einer Verständigung zwischen Juden und Griechen zu arbeiten, es gebe keine Verständigung. Dann wieder, mit der gleichen Heftigkeit, wies er sich zurecht, es sei wohlfeiles Ressentiment. Sein eigenes Schicksal, eine kurze Gegenwart, beweise nichts. Die Verschmelzung, von der er träumte, sei nicht eine Sache von zehn oder zwanzig Jahren, sie sei ein Geschäft für Jahrhunderte.
Doch diese Gedanken halfen ihm nicht über seinen Grimm hinweg. Er war zumeist allein in diesen Tagen, er verließ sein Haus nicht, und Besucher meldeten sich nicht.
Nach einer Woche ging er zu Claudius Regin. Er wollte seinen Zorn gegen die Menschen um sich und gegen sich selber an ihm auslassen. Es war ein milder Frühlingstag, aber der sonst so sparsame Regin, gegen Kälte empfindlich, hatte sein ganzes, mit einer Zentralheizung versehenes Haus wärmen lassen. Josef war es willkommen, daß er an dem Ärger über den Widerspruch zwischen den Sparsamkeitspredigten des Regin und dieser offensichtlichen Verschwendung seinen Grimm noch mehr schüren konnte. Er forderte zunächst, und das in einem frechen, herausfordernden Ton, Geld, eine größere Summe. Er brauche das Geld für den Bau der Josef-Synagoge, erklärte er. Das war unwahr. Nach den letzten Ereignissen war es überhaupt fraglich, ob man die Stiftung von ihm annehmen werde. Josef erwartete denn auch, der Verleger werde ihm ironisch erwidern, wie die Dinge jetzt lägen, sei es vielleicht angemessener, daß Josef dem Jupiter oder der Minerva einen Beitrag stifte statt dem Jahve. Doch Regin versagte sich jeden übellaunigen Kommentar. Er begnügte sich mit einem »Schön«, setzte sich hin und schrieb die Anweisung.
Dann sagte er: »Schimpfen Sie, mein Josef, fluchen Sie, schimpfen Sie sich das Herz frei. Sie sind in Wahrheit ein geschlagener Mann.« Er sagte das ohne Hohn, voll ehrlichen Mitgefühls.
Josef sah erstaunt hoch. Was wollte Claudius Regin? Es war nicht die Art dieses Finanzmannes, sich über eine Handlung wie den Verzicht auf Paulus in sentimentalen Reden zu ergehen. Was also meinte er? »Ich verstehe Sie nicht«, sagte Josef böse, mißtrauisch.
»Ich habe mich bitter getadelt«, sagte Regin, »daß ich Ihnen nicht von der Audienz abriet. Ich hätte mir sagen müssen, daß, wenn Sie etwas dergleichen unternehmen, es zum Unglück ausschlägt. Sie haben dem Manne wirklich die Entscheidung leicht gemacht, die ihm vorher so schwerfiel. Es war naheliegend, daß ein Sohn des Vespasian für die Gefälligkeit, die er Ihnen persönlich bezeigte, die Gesamtheit tausendfach bezahlen ließ.«
Josef begriff sogleich. Aber er stand blöd und hilflos da; der Schlag traf ihn unerwartet. Was Regin sagte, stimmte natürlich, und es war sinnlos, sich seiner Erklärung zu verschließen. Nachdem Titus ihm den Paulus konzedierte, hatte er sich berechtigt geglaubt, seinen Römern das Gesetz gegen die Beschneidung zu konzedieren. »Er hatte es eilig«, fuhr Regin fort, wie um seine Behauptung zu erhärten. »Noch am gleichen Tag, an dem er Caecil mit dem Gutachten über Ihre Sache beauftragte, hat er den Konsul wissen lassen, daß er gegen die Vorlage des Antist kein Veto einlegen werde.«
Ja, es war so klar, daß einem die Augen weh taten. Es war genauso gegangen wie damals in der Sache der drei Doktoren. Er, mit seinem unseligen Eifer, gab Rom die Möglichkeit, die Maske erhabener Parteilosigkeit zu wahren. Sie erwiesen ihm den kleinen Dienst, den er begehrte, und holten sich dafür von der Gesamtheit, was sie wollten. Damals hatte die Gesamtheit der Juden für seinen Ehrgeiz bezahlen müssen, jetzt zahlte sie für die Liebe zu seinem Sohn.
Warum wurde gerade er so heimgesucht? Warum schlug, was er anpackte, zum Bösen für alle aus? Es war sinnlos, darüber zu grübeln. Auch der höllisch kluge Mann vor ihm konnte ihm nichts dazu sagen. »Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine
Weitere Kostenlose Bücher