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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die Doktoren in Jabne.«
      »Richtig«, sagte befriedigt Regin. »Das ist der zweite Weg, den ich meinte.«

VIERTES BUCH
    Der Nationalist

         cheu drückten sich die besiegten Juden in dem Land herum, das ihr Gott Jahve ihnen gegeben hatte, gerade
         noch geduldet auf dem Stück Erde, auf dem sie noch vor einem halben Menschenalter die Herren gewesen waren. Ein großer Teil von ihnen war getötet oder in die Leibeigenschaft überführt und ihr Besitz zum Eigentum des Kaisers erklärt worden. Noch immer wurde der und jener verdächtigt, am Aufstand teilgenommen zu haben, und auf jedem lastete die Sorge, der böswillige Konkurrent oder Nachbar könnte ihn unter solche Anklage stellen. Viele wanderten aus. Die Siedlungen der Juden wurden spärlicher, verkümmerten, das Land bevölkerte sich immer dichter mit Syrern, Griechen, Römern. Die heidnischen Städte Flavisch Neapel und Emmaus wurden die ersten des Landes, und während Jerusalem verödet lag, strotzte die neue Hauptstadt, Cäsarea am Meer, von Prunkbauten, Heiligtümern der fremden Götter, Regierungspalästen, Bädern, Stadien, Theatern; Juden aber durften weder das zerstörte Jerusalem noch die neue Hauptstadt ohne Sondererlaubnis betreten.
      An Stelle der Aristokraten und der Tempelpriester von Jerusalem, von denen im Krieg die meisten umgekommen waren, hatten die Schriftgelehrten die Führung übernommen, die Juristen und Doktoren. Der Großdoktor Jochanan Ben Sakkai hatte, um die Einheit der Nation zu erhalten, den schlauen und kühnen Plan ersonnen, den Staat durch die Lehre zu ersetzen; sein Nachfolger, Gamaliel, führte diesen Plan mit Kraft und Umsicht zum Ziel. Das von ihm und seinem Kollegium in Jabne bis ins kleinste ausgetiftelte Zeremonialgesetz hielt die Juden fester zusammen als früher der Staat.
      Allein dieses System zwang die Doktoren, die Lehre immer mehr einzuengen und ein bestes Teil von ihr preiszugeben: ihren Universalismus. »Der Fremde soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer, und du sollst ihn lieben wie dich selber«, hatte, durch den Mund des Moses, Jahve befohlen, und, durch den Mund Jesajas: »Es ist ein Geringes, daß du die Stämme Jakobs aufrichtest; vielmehr habe ich dich auch zum Licht der Heiden bestimmt.« Auf diese kosmopolitische Sendung, bisher Jahrhunderte hindurch treulich erfüllt, begannen die Juden jetzt zu verzichten. Nicht mehr der ganzen Erde verkündeten sie ihre Botschaft, sondern viele hielten dafür, nach der Zerstörung des Tempels sei das Volk Israel Jahves Haus, und allein diesem Volke gehöre er. Der Druck der Römer, das Beschneidungsverbot vor allem, machte, daß immer mehr Mitglieder des Doktorenkollegiums dieser fremdenfeindlichen Auffassung zufielen. Sie glitten hinweg über die Stellen, in denen die Schrift die Juden an ihre Weltmission mahnte, und ihr Mund war voll von jenen Sätzen, in denen sie das Bündnis Jahves mit Israel als mit seinem Lieblingsvolk feierte. Mit Hilfe des Zeremonialgesetzes nationalisierten sie das Leben der Juden. Sie verboten ihnen, die Sprache der Heiden zu erlernen, ihre Bücher zu lesen, ihr Zeugnis vor Gericht anzuerkennen, Geschenke von ihnen anzunehmen, sich mit ihnen durch Beischlaf zu mischen. Der Wein war unrein, den eine nichtjüdische Hand berührte, die Milch, die eine nichtjüdische Hand molk. In strengem, blindem Hochmut schieden sie durch immer höhere Mauern das Volk Jahves von den andern Völkern der Erde. So hielten es fast alle Führer der Juden, auch ihre Sektierer, die Essäer, die Ebioniten, die Minäer oder Christen. Jenem Manne zum Beispiel, den diese Minäer als ihren Messias priesen, dem Jesus von Nazareth, legte einer seiner Schüler, ein gewisser Matthäus, die Worte in den Mund: »Geht nicht auf der Straße der Heiden und zieht nicht in die Städte der Samariter, sondern geht nur hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.«
      Binnen kurzer Frist wurden die Juden, die als die ersten auf der bewohnten Erde verkündet hatten, ihr Gott gehöre nicht ihnen allein, sondern der ganzen Welt, zu den fanatischsten partikularisten. Die Doktoren zentralisierten die Lehre immer strenger, verboten immer unduldsamer jeden Widerspruch. Viele freilich sträubten sich. Die Juden waren von jeher eigenwillig gewesen, keine einheitliche Masse, sondern ein Volk von vielen Individuen und vielen Meinungen. Es gab unter ihnen Traditionalisten und Neuerer, Pharisäer, Sadduzäer, Essäer, Tolerante und Intolerante, Anhänger

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