Die Söhne.
Kasten, doch breit und geräumig. Und vor allem ging sie nicht wie jenes Fahrzeug, nach dem sie hieß, auf abenteuerliche Reisen aus, im Gegenteil, sie vermied ängstlich den offenen Ozean, ihr Kurs führte immer die Küste entlang. Die Fahrt wird viele Wochen dauern, doch so schlimme Leiden wie auf der ersten Reise stehen ihm diesmal nicht bevor.
Er täuschte sich. In der dritten Woche trieb ein starker Sturm das Schiff von der Küste ab, der Steuermann konnte sein Ruder nicht mehr halten. Das Schiff trieb hilflos, überspült von immer neuen, kalten, weißgrauen Wellen. Die Matrosen bestreuten sich mit Asche, die Passagiere schrien zu ihren Göttern, die im Kielraum angeschmiedeten leibeigenen Ruderer heulten um ihr Leben. Bei alledem versicherte der Kapitän, man könne nicht sehr weit entfernt von der Küste sein. Demetrius Liban lag, grau im Gesicht, mit eisigen Gliedern, in seiner Kajüte. Er war furchtbar schwach, den ganzen gestrigen Tag hindurch hatte er sich übergeben, ihm graute vor Essen, er lag, die Augen geschlossen, und schrie nach Tod. Wie auch könnte er gerettet werden? Das Schiff ist verloren, sagen sie, die zwei Boote reichen nicht aus. Freiwillig werden sie ihn nicht in ein Boot nehmen, und er ist nicht kräftig und kann nicht darum kämpfen. Zuerst hat man ihn mit großer Achtung behandelt, jetzt ist er für die andern ein Stück Holz, sie lassen ihn verrecken. Wäre es nur schon aus. Er schrie zu Jahve, wollte Gebetmantel und Gebetriemen anlegen, aber er war zu erschöpft.
Er hörte ein mächtiges Krachen und neues Geschrei vom Deck her. Gräßliche Angst packte ihn. Mit zerschlagenen Gliedern erkroch er das Oberdeck. Er fiel oftmals auf diesem Gang. Auf dem Oberdeck sahen sie ihn nicht und wollten ihn nicht sehen, jeder war mit sich beschäftigt. Seine Angst wuchs. Da er wahrnahm, daß die andern ihr Haar schoren, um es dem Neptun zu weihen, versuchte er, sein eigenes für den Gott auszureißen, dabei Jahve um Vergebung für den Götzendienst bittend.
Riesige Wellen waren; sie kamen, schien es dem Demetrius, von allen Seiten. Hatte der Wind sich gedreht? Jemand sagte, man sei näher an der Küste, man habe das Blei geworfen und gesehen, daß das Wasser nicht tief sei, man sei in Gefahr, aufzulaufen, doch mit den Booten könne man Land erreichen. Sie machten die Boote bereit, aber sie warteten noch, sie auszusetzen. Zuerst hatte Liban in einem Winkel Halt und Stütze, dann aber riß es ihn weg, und er rollte wie ein Toter.
Es ist aus, dachte er. Ich mache mir keine Hoffnung, ich will nichts berufen, ich will nichts hoffen. Aber wenn du mir diesmal noch hilfst, Jahve, nur noch dies einzige Mal, dann verzichte ich darauf, den Laureol in Rom zu spielen, dir zu Ehren verzichte ich darauf. Hilf mir lieber nicht, aber laß es gleich aus sein. Ertrinken ist gräßlich, man kann nicht mehr atmen, ich kann nicht schwimmen. Es ist gut, daß ich nicht schwimmen kann, auf diese Art wird es schneller aus. Vielleicht sollte ich mir die Adern öffnen. Mir graut vor dem Blut. Und wenn Jahve in seiner Gnade doch beschlossen haben sollte, mich zu retten, will ich ihm nicht voreilig zuwiderhandeln. Auf offener See sterben ist das Furchtbarste, man hat kein Grab. Seinem bittersten Feind flucht man: »Daß du auf offener See stürbest«, aber selbst einen Heiden so zu verfluchen, haben die Doktoren verboten. Man wird von den Fischen angefressen. Zuerst fressen sie die Augen, ist nicht in den »Persern« des Äschylus so eine Stelle? Nein, dort ist sie nicht, aber das ist jetzt gleichgültig, laß mich vorher sterben, Jahve, und wie kalt es ist. Vielleicht erschlägt mich einer von den Leibeigenen oder den Matrosen, wenn ich ihm Geld gebe. Ich will nicht denken, ich will nur beten, aber was soll ich beten? »Ja und ja, ich habe gesündigt, ja und ja, ich habe gefrevelt, ja und ja, ich habe gefehlt.« – »Höre, Israel, der Ewige dein Gott« – aber ich sollte nicht »Höre, Israel« sagen; denn wenn ich selber glaube, daß dies die Stunde meines Absterbens ist, dann berufe ich es herauf und beschwöre Jahve, mich zu verderben. Wenn ich gerettet werde, muß ich ein Stück Holz von dem Schiff mitnehmen, daß sie mir glauben, was das für ein Sturm war. Sie glauben es einem nie, wenn man eine Heldentat vollbracht hat. Ich müßte mir den Kopf kahl scheren, daß sie sehen, daß ich meine Haare dem Neptun geweiht habe, aber das wäre wieder eine Beleidigung für Jahve. Unter keinen Umständen darf
Weitere Kostenlose Bücher