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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ich jetzt daran denken, daß auch nur eine Möglichkeit des Untergangs ist. Wenn ich in Rom den Laureol spiele, werde ich in der dritten Szene »Kreuz« betonen und nicht »du«. Und die Maske muß einen halben Zentimeter niedriger werden. Ich muß atmen, dann wird die Übelkeit besser. Wenn ich stark atme und die Arme ausstrecke, dann rolle ich auch weniger. Oh, da kommt schon wieder eine Welle. Wir haben es uns zu einfach vorgestellt, Marull und ich, Seeräuber zu sein. Wenn man denkt, daß die in einem solchen Sturm auch noch kämpfen müssen. Wäre es nur schon aus.
      Als Liban so weit gedacht hatte, gab es einen scharfen Ruck und einen ungeheuren Krach. Das Schiff war aufgelaufen. Geschrei war. In aller Eile setzte man die Boote aus. Demetrius, trotzdem er wußte, daß es aussichtslos war, schrie, sie sollten ihn mitnehmen. Die Boote stießen ab, ohne ihn. Auf der »Argo« waren ein paar Dutzend Menschen zurückgeblieben, Leibeigene, Kranke, Hilflose. Die Wellen drückten jetzt das stark beschädigte Hinterteil des Schiffes vollends ein. Demetrius mit einigen andern kroch zu der Stelle, die sie für die sicherste hielten, und klammerte sich fest. Der Sturm schien ein wenig nachzulassen, aber immer wieder kam eine Welle, schlug über ihm zusammen, drohte ihn wegzureißen, er japste nach Atem.
      Noch bevor das Schiff vollends gesunken war, kamen Boote mit Menschen. Demetrius dachte, nun sei er gerettet; vielleicht auch dachte er es nicht, er hatte keine klaren Gedanken mehr. Waren, die da kamen, Laureol und seine Seeräuber? Sie hatten es eilig, sie hielten sich nicht viel mit Gerede auf, sie schleppten in hurtigem Hin und Her fort, was sie noch an Transportablem fanden. Um die Menschen kümmerten sie sich nicht; vielleicht schienen sie ihnen nicht wert, als Leibeigene aufgefüttert zu werden, vielleicht war es ihnen zu gefährlich, sie zu Leibeigenen zu machen. Die Menschen der Boote waren auf ihre Art gutmütig; dem einen oder andern der Schiffbrüchigen hauten sie auf den Kopf, damit er nicht zu lange zu leiden habe. Den Demetrius beachteten sie nicht. Die Strandbevölkerung hatte in den nächsten Tagen viel zu tun. Es wurde allerhand angetrieben. Da war zum Beispiel ein Kasten aus Ebenholz, mit Elfenbeinreliefs ausgelegt, die Schmückung irgendeines Halbgottes darstellend, und versehen mit den Initialen D. L. Dieser Kasten schien den Strandleuten sehr kostbar; seinen Zweck freilich erkannten sie nicht, sie stritten lange darüber. Dem Demetrius Liban hatte er als Schminkkasten gedient. Auch ein Etui mit den Initialen D. L. wurde angetrieben, das sehr wertvoll aussah und ihnen große Hoffnung erweckte; aber als sie es begierig öffneten, war nichts darin, nur ein verwelkter Kranz.

    Josef war froh, Justus noch in Cäsarea anzutreffen.
      Sie saßen am Hafenkai, vor ihnen lag das Schiff »Glück«, das Josef übermorgen nach Italien zurückbringen sollte. Lärm und Menschen waren um sie. Aber Josef sah nur das hagere, scharfe, gelbgraue Gesicht des Justus.
      Der begrüßte es, daß Gamaliel endlich zu einer Aktion gegen die Minäer ausgeholt hatte. »Wahrheit«, konstatierte er, »kann den Menschen ohne eine Beimengung von Lüge nicht beigebracht werden. Die Lüge, die die Doktoren der Wahrheit beimengen, ist weniger gefährlich als die der Minäer. Der Verzicht auf das Weltbürgertum fälscht die jüdische Idee, aber der Verzicht auf den Messias, der da kommen soll, fälscht sie noch mehr. Denn das Erscheinen dieses Messias muß durch das strenge Leben jedes einzelnen erst erkämpft werden, so daß also der Glaube, der Messias sei bereits erschienen, einem Verzicht auf die Idee des Fortschritts gleichkommt. Wer annimmt, das Tausendjährige Reich sei bereits da, kann es sich füglich schenken, weiter darum zu kämpfen. Es ist gut, daß Gamaliel gegen eine Lehre vorgegangen ist, die ihre Anhänger ermutigt, sich von dem Kampf um den Fortschritt zu drücken.«
      Josef, ihn von der Seite her betrachtend, haftete noch an seinen ersten Worten. »Sie glauben im Ernst«, fragte er, »daß eine Wahrheit nur weitergegeben werden kann, indem man ihr Lüge beimischt? Sie glauben also, daß, was bleiben soll, ein Gemenge sein müsse aus Wahrheit und Lüge? Wollen Sie, daß ich das für mehr nehme als für einen Aphorismus?«
      Justus wandte ihm höhnisch das Gesicht zu: »Sie gelten als ein großer Schriftsteller, Flavius Josephus, und haben mit dreiundvierzig Jahren noch nicht die Elemente unseres

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