Die Söhne.
jetzt sogar der Spötter Marull Ähnliches von ihm ausgesagt? Sie schaut von seinem hageren, schönen Gesicht auf den blassen, hohen Schimmer der Büste, und es ist ein neuer Josef, den sie sieht, jenes rätselhafte Leuchten ist um ihn, wie es ausgeht von der korinthischen Bronze seines Standbilds, sein Kopf schaut hoch und fremd über die andern wie hier die Büste. Und sie fühlt ihre beste Neigung zu ihm hinströmen wie in ihrer ersten Zeit in Alexandrien, da sie sich mit ihm gemischt hat.
Josef selber steht inmitten dieser Ehrungen in bescheidener, würdiger Haltung. Hinter seiner hohen, gebuckelten Stirn aber wirren sich die Gedanken. Dies ist ein gesegneter Tag, der Tag der Erfüllung, lang ersehnt. Dies ist der Eingang Israels durch eine erste Pforte in die Ehrenhalle der Völker. Aber ist es nicht eine erschlichene Ehre? Da steht seine Büste; blaß und edel unter dem dunkelgrünen Kranz schimmert die Bronze. Er selber aber ist aus schlechtem Stoff. Wie kümmerlich ist sein Buch, vergleicht er es mit dem, was zu machen er berufen ist. Und selbst dieses ärmliche Buch hat er nur vollenden können mit Hilfe des Phineas. Die Zeiten sind vorbei, da er, wie damals nach Vollendung seines Makkabäer-Buches, stolz auf sein Griechisch war. Jetzt weiß er, daß er überall der Stützen und Krücken bedarf. Nicht einmal seinen Sohn Paulus kann er für seine Idee gewinnen: wie soll er die Welt gewinnen? Er verliert sich, er ist ganz angefüllt von der Bewußtheit seines Nichts. Er hört den festlichen, ehrenvollen Lärm; durch den Lärm hindurch aber, leise und ihn trotzdem mühelos übertönend, hört er wiederum die bittere, verächtliche Stimme, die Stimme des Freundfeindes, abschließend, jeden Widerspruch von vornherein vernichtend: »Ihr Doktor Josef ist ein Lump.« Er schaut in die Gesichter ringsum: erkennen sie denn nicht, wie erbärmlich er ist? Das Gefühl seiner Ohnmacht droht ihn zu ersticken, gleich wird er zusammenbrechen. Er schaut ringsum nach Hilfe. Da ist niemand, der ihm helfen könnte. Nicht einmal Alexas ist da, der Glasfabrikant. Wenn er wenigstens die Hand auf den Scheitel seines jüdischen Sohnes legen könnte, Simeon-Janikis. Aber niemand ist da.
Sein blasser, knochiger Kopf indes hält immer das gleiche, bescheidene und stolze Lächeln fest. Höchstens um einen Schatten bleicher ist er geworden. Man findet, er ist ein Mann, der sein Glück gut zu tragen weiß, wert seines Erfolges.
ZWEITES BUCH
Der Mann
ach der qualvollen Hitze der letzten Wochen hatte sich heute, am siebenundzwanzigsten August, ein guter
Wind aufgemacht, und Josef, in seiner Sänfte, auf dem Weg zum Palatin, genoß mit allen Sinnen die leichte, frische Luft. Er fühlte sich glücklich. Es war ein Triumph für ihn, daß Titus sogar jetzt, während der Feuersbrunst, nach ihm verlangte. Denn heute, am vierten Tag, war der Brand noch immer nicht gelöscht, es war der größte seit den Zeiten des Nero. Vielleicht war das Unglück diesmal noch schlimmer. Denn damals hatte das Feuer die engen, häßlichen Innenviertel zerstört, diesmal aber hatte es die schönsten Stadtteile erreicht, das Marsfeld, den Palatin. Das Pantheon war ausgebrannt, die Bäder des Agrippa, die Tempel der Isis und des Neptun, das Balbus-Theater, das Pompejus-Theater, die Volkshalle, das Amt für militärische Finanzen, viele Hunderte der schönsten Privathäuser. Vor allem aber war das Capitol ein zweites Mal zerstört, das kaum neu vollendete, das Zentrum der römischen Weltherrschaft.
War das ein Zeichen der Götter gegen den Walfisch? Das feindselige Geraun gegen ihn verstärkte sich. Die Juden vor allem waren in Bewegung. Sie waren selber vom Brande betroffen, ihre schönste Synagoge, die des linken Tiberufers, die Veliasynagoge, war zerstört. Trotzdem sahen sie das Feuer geradezu mit Genugtuung. Es war ihr Geld, das für Jahves Tempel bestimmte, mit dem der übermütige Sieger das neue Haus der Capitolinischen Trinität gebaut hatte. Und jetzt also, nach so kurzem Bestand, war es ein zweites Mal vernichtet worden, das Capitol, dessen Anblick ihnen soviel Grimm und Herzeleid gebracht hatte. Jahves Hand, triumphierten sie, Jahves Hand trifft den Mann, der seinen Tempel eingeäschert und sein Volk erniedrigt hat. Überall in ihren Vierteln sammelten sich Straßenprediger, verkündeten den Untergang der Welt, verteilten Traktate über den Messias, den Rächer, der das Schwert bringt.
Josef selber
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