Die Sonnwendherrin
trat noch näher an mich heran und ließ seine geschickten Finger über meinen Körper gleiten. Jede kühle Berührung brannte wie Feuer durch die dünne Seide meines neuen Kleides hindurch. Ich schauderte. Ich war machtlos |112| dagegen. Ich konnte nicht länger stillhalten. Mit einem leichten Aufseufzen sank ich in seine Arme. Ein solches Glück hatte ich noch niemals zuvor empfunden.
»Du spürst es deutlich, Marja«, flüsterte er mir ins Ohr. »Du willst mich und sonst niemanden. Du glaubst, alles Glück der Welt in meiner Berührung zu finden. Du möchtest, dass dies niemals endet.«
»Ja, ja«, flüsterte ich in sein Haar hinein, drückte meine Wange an seine. Ich klammerte mich an ihn, als hinge mein Leben davon ab.
Und dann war es vorüber. Der Bann war gebrochen. Er trat von mir zurück und ließ mich hilflos bebend stehen. Ich sehnte mich nach seiner Berührung. Doch ich hatte sie verloren.
Ich blinzelte Tränen weg, wollte zu ihm eilen, doch sein Blick hielt mich davon ab.
»So fängt es an, Marja«, sagte er. »Du musst lernen, das rechtzeitig zu erkennen, und wenn du etwas Ähnliches wie eben verspürst, dann will ich, dass du Folgendes machst.«
Er schnippte mit den Fingern, und drei Männer traten aus der Tür zu seinem Schlafgemach. Sie waren dunkelhäutig und schlank, alle trugen ihre Hemden offen, so dass ich ihre nackte, unbehaarte Brust sehen konnte und die Muskeln, die unter der Haut spielten.
»Diese Männer«, sagte mein Vater, »werden dich lehren, die Wünsche deines Körpers auszuleben, ohne dein Herz zu berühren. Sie sind erfahren und werden dich auf mancherlei Art beglücken. Sie bleiben bis zum Morgen bei dir. Dann werde ich dich wieder besuchen.«
»Aber, Vater!«, flüsterte ich. Ich wollte diese Männer nicht. Ich wollte mit meinem Vater zusammen sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, von ihm getrennt zu werden. Nun nicht mehr, da er mir dieses Glück hatte zuteil werden lassen.
|113| Sein Blick verhärtete sich. »Willst du dich mir widersetzen, Marja?«, fragte er.
Ich schwankte und senkte die Augen. »Nein, Vater«, antwortete ich bedrückt.
»Gut!« Damit wandte er sich um und verließ den Raum.
Die Männer waren in der Tat geschickt, erfahren und unermüdlich, als sie alles in ihrer Macht Stehende versuchten, um mir die Freuden meines Körpers nahezubringen und meine Sehnsucht nach meinem Vater von der Sehnsucht meines Körpers zu trennen. Ich wollte das nicht. Ich war noch nicht bereit dazu. Und doch, als ich meine Scham besiegt hatte, wenn fremde Hände Stellen an meinem Körper erforschten, von denen ich geglaubt hatte, sie gehörten mir allein, als meine Tränen getrocknet waren, empfand ich bei dem, was sie mit mir machten, eine seltsame Befriedigung.
Ich erfuhr ihre Namen nie. Denn am Morgen, als mein Vater zurückkehrte, verbrannte er meine drei Liebhaber mit Hilfe seiner Magie vor meinen Augen zu Asche. Der dritte, der jüngste und sanfteste unter den dreien, versuchte zu fliehen, aber in dem runden Gemach, in dem nur ein niedriges Holzbett stand, groß genug für fünf, gab es kein Versteck.
Ich fürchtete mich davor, meinen Kopf zu heben. Ich wollte nicht, dass Vater meine Tränen sah. Eine Sonnwendherrin weint nicht.
»Hat es dir gefallen?«, fragte mein Vater mit ausdrucksloser Stimme.
Ich nickte. Ich wollte nicht, dass er die Wahrheit erfuhr.
»Sehnst du dich immer noch nach meiner Berührung?«, wollte er wissen.
Ich schüttelte den Kopf. Ich schauderte bei dem Gedanken, dass jemals wieder etwas so Sinnliches, wie ich es mit meinem Vater erlebt hatte, in mein Leben treten könnte.
Und dann verstand ich mit einem Mal! Es hatte gewirkt. |114| Ich würde nie wieder an die Liebe denken können, ohne mich an den Schrecken und die Demütigung zu erinnern, von drei fremden Männern genommen zu werden und dann zusehen zu müssen, wie sie vor meinen Augen getötet wurden. Die Erinnerung an ihre schamlosen Hände, als sie sich bemühten, meine Scheu zu besiegen, war in mein Gedächtnis eingebrannt, genau wie die Erinnerung an ihre Schreie, als sie sich im Höllenfeuer des magischen Strahls meines Vaters auf dem Fußboden wanden, genau wie die Erinnerung an die kühlen Hände meines Vaters an meinem Hals und das düstere Glühen in seinen Augen, deren Blick mich bis hinab zu meiner Seele durchdrang.
Falls
das
Liebe war, würde ich niemals mehr lieben!
|115| Iwan
»Ich habe keine Ahnung, wieso ich mich eigentlich mit dir abgebe, Junge«, seufzte der
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