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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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hätten, weil sie so etwas für zu abscheulich hielten. Und wenn schon. Eines Tages würden die Nachkommen der Sarl ihre Zeit damit verbringen, zwischen den Sternen zu fliegen und ihrerseits die Dispute primitiver Völker beobachten! An dieser Stelle seiner Ausführungen hatte Oramens Vater fröhlich hinzugefügt, dass sie beide bis dahin lange tot sein würden.
    Wer konnte sagen, in welchem Ausmaß die Sarl unter Beobachtung standen? Oramen dachte daran, als sein Blick durch den großen Raum wanderte. Vielleicht sahen die Augen von Fremden diese vielen Leute, alle in Rot gekleidet. Vielleicht beobachteten sie das Geschehen hier und jetzt.
    »Oramen, mein lieber junger Prinz«, sagte die Dame Renneque und erschien plötzlich an seiner Seite. »Du solltest
nicht einfach nur hier stehen! Man könnte dich für eine Statue halten! Komm, begleite mich zur trauernden Witwe, wir zollen ihr zusammen den gebührenden Respekt. Was hältst du davon?«
    Oramen lächelte und nahm die dargebotene Hand. Renneque war hinreißend schön in ihrem scharlachroten Kleid. Ihr nachtschwarzes Haar ragte unter einer rote Trauerkappe hervor; hier und dort zeigten sich Locken und Strähnen und umrahmten ein glattes, makelloses Gesicht.
    »Du hast recht«, sagte Oramen. »Ich sollte zu ihr gehen und die geeigneten Worte finden.«
    Sie wanderten gemeinsam durch die Menge, die sehr gewachsen war, seit Oramen ihr zum letzten Mal bewusste Aufmerksamkeit geschenkt hatte – viele weitere Trauergäste waren mit Kutschen eingetroffen. Inzwischen befanden sich Hunderte von Menschen im Salon, und sie alle trugen unterschiedliche Schattierungen von Rot. Die einzigen Ausnahmen bildeten der Gesandte der Urletine-Söldner und der Ritterkommandeur der Ichteuen-Gotteskrieger, und selbst sie hatten sich bemüht: Der Gesandte hatte fast alle getrockneten Körperteile von Feinden abgelegt und eine braune Haube aufgesetzt, die für ihn zweifellos rot war, während der Ritterkommandeur die grässlichsten Gesichtsnarben hinter einem karmesinroten Schleier verbarg. Und nicht nur die Menschheit war an diesem Ort repräsentiert – Oramen roch die Präsenz des Oct-Botschafters Kiu.
    Und inmitten dieser Menge die Tiere des Hofes: Ynt, wie fußknöchelhohe pelzige Wellen, die sich ständig über den Boden wanden, immerzu schnüffelten und munter zinnoberrote Bänder hinter sich her zogen; Ryre, die voller Anstand dahinschlichen,
für gewöhnlich an den Wänden entlang, dünn und kniehoch, vom eigenen Spiegelbild fasziniert, wachsam und nur widerwillig bereit, purpurrote Halsbänder zu tragen; Choups, die umhersprangen und über den auf Hochglanz polierten Parkettboden rutschten, die Leute anrempelten, sich von jeder Fremdartigkeit beunruhigen ließen, auf dem Rücken Sättel für Kinder, an den Seiten Riemen der Trauer, so rot wie die Schabracken, die an diesem Tag alle großen Reittiere im Königreich trugen.
    Oramen ging hinter Renneque in ihrem knisternden Gewand durch die Menge, lächelte vielen beklommenen Gesichtern zu und versuchte, die richtige Kombination aus Kummer und aufmunternder Freundlichkeit zu finden. Renneque hielt demütig den Kopf gesenkt, schien aber jeden Blick in ihre Richtung zu genießen und die allgemeine Aufmerksamkeit als erregend zu empfinden. »Du bist gewachsen, Oramen«, sagte sie und ließ sich ein wenig zurückfallen, damit sie wieder neben ihm schritt. »Mir scheint, dass ich erst gestern auf dich hinabsehen konnte, aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Du bist größer als ich und praktisch ein Mann.«
    »Es muss wohl so sein, dass ich gewachsen bin, denn du bist bestimmt nicht geschrumpft.«
    »Was? Oh!«, erwiderte Renneque und drückte wie verschämt Oramens Hand. Sie sah auf. »So viele Leute, Oramen! Und jetzt sind alle deine Freunde.«
    »Ich glaube nicht, dass es mir vorher an Freunden mangelte, aber vielleicht muss ich akzeptieren, dass ich mich geirrt habe.«
    »Ziehst du mit dem Heer in die Neunte hinab, Oramen, um dort gegen die schrecklichen Deldeyn zu kämpfen?«

    »Ich weiß nicht. Eigentlich liegt die Entscheidung nicht bei mir.«
    Renneque sah auf das prächtige rote Kleid hinab, auf das sie bei jedem Schritt nach vorn trat. »Vielleicht sollte sie das.«
    »Vielleicht.«
    »Ich hoffe, der Sieg kommt schnell! Ich möchte den großen Wasserfall bei Hyeng-zhar und die Namenlose Stadt sehen.«
    »Wie ich hörte, soll beides sehr spektakulär sein.«
    »Meine Freundin Xidia hat sie einmal gesehen, in friedlicheren

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