Die Sphaeren
hinein.
Die junge Frau blickte finster durch graue Rauchschwaden, als er sich mit den Stiefeln in der Hand der Tür zuwandte.
»Ferbin wäre kein Spielverderber gewesen«, sagte sie.
Er drehte sich um, setzte sich aufs Fußende des Bettes und zog Jish zu sich. »Du warst mit meinem Bruder zusammen?«, fragte er flüsternd und blickte zum Kopfende des anderen Bettes. »Leise«, mahnte er.
»Einige Male«, antwortete Jish mit einer Art scheuem Trotz. »Er war lustig. Er wäre geblieben.«
»Bestimmt«, sagte Oramen, und sein Blick suchte Jishs Augen. Dann lächelte er, streckte die Hand aus und strich der jungen Frau über die Wange. »Ich muss wirklich los, Jish. Ein anderes Mal.«
Er ging zur Tür, die Stiefel noch immer in der Hand. Jish sank aufs Bett zurück und sah zur Decke, mit der Pfeife an ihrer Seite, als sich die Tür leise schloss.
Nicht viel später blickte Tove schwer atmend ums Kopfende und richtete einen erstaunten Blick auf Jish und das ansonsten leeren Bett.
»Pinkelpause?«, fragte er.
»In dem Fall hat sich der verdammte Kerl dazu auf den Weg zum Palast gemacht«, sagte Jish. »Und er hat seine verdammten Klamotten mitgenommen.«
»Mist!« Toves Kopf verschwand. Wenige Momente später zog er sich ebenfalls an, unter dem Protest seiner beiden Begleiterinnen.
»Dr. Gillews!«
Die Praxis des Arztes befand sich im unteren rückwärtigen Flügel des Palastes, nur einige Gehminuten von den Gemächern des Königs entfernt – der Weg führte durch zwei Flure und eine lange Galerie unter den Traufen eines Hauptgebäudes. So nahe am Zentrum der Dinge war es ein überraschend ruhiger Ort. Die Fenster boten Ausblick auf einen Kräutergarten, der terrassenförmig angelegt war, um das Licht besser auszunutzen. Oramen hatte einige Male angeklopft und dann festgestellt, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Er öffnete sie, rief mehrmals den Namen des Doktors. Gillews war dafür bekannt, dass er manchmal ganz in den Experimenten und Destillationen aufging, die er in seinem Labor durchführte; manchmal hörte er es nicht – oder tat zumindest so -, wenn man ihn rief.
Oramen ging durch den Flur und einen Torbogen, erreichte
dahinter das Wohnzimmer des Arztes. Die Fenster auf der anderen Seite lagen zum Garten, und hohe Wolken waren durch sie zu sehen. »Dr. Gillews?«, rief er erneut. Vor den Fenstern stand eine Art Werkbank mit Büchern, Behältern, Ampullen und Retorten. Irgendwo tropfte etwas, und ein beißender Geruch lag in der Luft. Oramen schritt durchs Wohnzimmer und vergewisserte sich, dass niemand da war – er wollte den Doktor nicht stören, wenn er schlief. Das tropfende Geräusch wurde lauter und der beißende Geruch stärker.
»Doktor …?«
Oramen blieb stehen und riss die Augen auf.
Der Arzt saß auf einem mit Schnitzereien verzierten Holzstuhl, und sein Kopf lag auf der Werkbank vor ihm. Offenbar hatte er einige Ampullen und Bechergläser getroffen, als er nach vorn gefallen war – einige waren umgefallen, andere zerbrochen. Das Tropfen stammte von der Flüssigkeit aus den zerbrochenen Gläsern. Eine von ihnen dampfte, und es zischte leise, als sie den Holzboden erreichte.
Eine Spritze steckte tief in Gillews entblößtem linken Unterarm. Sein Augen starrten blicklos über den mit Instrumenten übersäten Tisch.
Oramen hob die Hand zum Mund. »Oh, Dr. Gillews«, sagte er und setzte sich auf den Boden, weil er befürchtete, dass die Beine unter ihm nachgaben. Rasch stand er wieder auf, hustete und stützte sich an der Werkbank ab. Am Boden waren die Dämpfe schlimmer. Er beugte sich vor und öffnete zwei der Fenster zum Garten.
Nach einigen tiefen Atemzügen tastete Oramen am Hals des Arztes nach dem Puls, ein wenig überrascht und beschämt,
dass seine Hand so sehr zitterte. Gillews Haut war kalt, und es gab keinen Puls.
Oramen sah sich um, ohne genau zu wissen, wonach. Alles war in Unordnung, aber das konnte an einem solchen Ort durchaus normal sein. Eine mit letzter Kraft gekritzelte Mitteilung entdeckte er nicht.
Vermutlich hätte er losgehen und die Palastwache verständigen sollen. Fasziniert sah er auf die Spritze. Blut zeigte sich dort, wo die Nadel in den Arm gedrungen war, und hinzu kamen einige Flecken und Kratzer an anderen kleinen Stichwunden – der Arzt schien mehrere Versuche unternommen zu haben, bevor es ihm gelungen war, eine Ader zu finden.
Erneut berührte Oramen Gillews Haut, am Handgelenk, wo er einen weiteren dunklen Fleck fand. Er hustete
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