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Die Spinne - Niederrhein-Krimi

Die Spinne - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Spinne - Niederrhein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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nicht mehr wie am Anfang mit den beiden, Louise würde es mittlerweile bedauern, ihren Job aufgegeben zu haben. Sie fühle sich wie im goldenen Käfig, ein Kanarienvogel, den man mit Futter lockt, damit er singt. Ständig würde er sie allein lassen, das wäre auf Dauer nicht mit Brillantringen aufzuwiegen.
    Johanna massierte sich die Handgelenke und schlug den Papierstapel mit dem letzten Blatt aus der Schreibmaschine auf der Unterkante zusammen, um ihn in die Mappe mit den Pferdeköpfen zu schieben.
    »Da hast du es, mein Bester. Die haben ihre wahre Befindlichkeit längst schon vergraben. Man spricht nicht über die tiefsten Sorgen, man geht dem anderen nicht auf den Geist. Man will sich mit seinem Elend niemandem zumuten. Was ist nur aus der Nachbarschaft geworden? Weißt du noch, als wir uns kennenlernten? Da gab es hier für jedes Haus den ersten Nachbarn, der die Organisation von Festen zwischen Wiege und Sarg übernahm. Wir kannten einander mit all den Freuden und Nöten. Und heute? Da lebt nebenan eine Frau in den besten Jahren, die so einsam ist, dass sie im Winter Sträucher beschneidet, die ihr zu schwer sind, damit Nachbarn kommen und ihr helfen.«
    »Du meinst, sie hat das extra gemacht?«
    »Nicht bewusst, aber sie kennt uns und weiß, dass wir helfen.«
    Beide starrten auf die Mappe, die auf der weihnachtlich bestickten Tischdecke lag, und wussten nicht recht, was sie nun damit anfangen sollten. Henner lehnte sich in seinem Sessel zurück.
    »Da hast du den Salat. Wir haben uns in ein fremdes Leben eingemischt, und schon sind wir von Zweifeln beseelt und glauben nicht mehr an die etwas unkonventionelle, unbescholtene, glückliche Beziehung unserer Nachbarn. Spätestens seit heute ist klar, dass es nebenan kriselt und dass unser Nachbar seit dem zweiten Weihnachtstag verschwunden ist.«
    »Oder er ist in geheimer Mission unterwegs, die er nicht mit seiner Ehefrau besprechen konnte, weil die alles sofort ihrer besten Freundin erzählt, die es dann an die alte Sangesschwester weitersagt, als wäre es ein neues Kuchenrezept.«
    Johanna schob die Mappe weit von sich, bis an die gegenüberliegende Tischkante. »Das gefällt mir alles gar nicht. Am liebsten wäre mir, wir drehen die Zeit zurück und ich komme nicht auf diese hirnrissige Idee, und alles wäre wie vorher. Jetzt stehen wir da mit einer Geschichte, die mir nicht geheuer ist. Vier unterschiedliche Versionen zum Verbleib des Nachbarn sind von der Ehefrau in Umlauf gebracht worden.«
    Henner stimmte ihr zu. »Und aus dem flotten Kerl von nebenan ist ein Frauenheld geworden, der seine Hände unter fast jedem Rock im Ort gehabt hat. Immer schön die Fassade aufrechterhalten und lächeln. Wenn du mich fragst, hätte sie sogar allen Grund gehabt, bei seinem Verschwinden ein wenig nachzuhelfen.«
    Johanna fand diese Aussage nahezu empörend. »Du willst der armen Louise doch nicht unterstellen, dass sie ihren Mann beiseite… um die Ecke … na, dass sie zu seinem Verschwinden beigetragen hat! Ich kann es gar nicht aussprechen, so absurd finde ich das.«
    Henner schaute nach draußen, wo sich zwei Kleiber am Winterfutter bedienten. »Nein, ich verdächtige sie nicht, beruhige dich. Es war nur eine Idee, die ich ausgesprochen habe, bevor sie reif war.«
    Die Kleiber flogen mit ihren aufgenommenen Körnern ins Gesträuch. Johanna wiegte den Kopf hin und her. »Obwohl …«
    »Obwohl was?«
    »Vielleicht hast du gar nicht so unrecht.«
    Henner beugte sich vor, um ihr in die Augen zu schauen. »Das habe ich jetzt nicht aus deinem Mund gehört, oder?«
    »Doch, doch, mein Bester, du siehst mich ziemlich ratlos vor dem Ergebnis meiner unbefriedigten Neugierde stehen. Ich bin so weit, dass ich alles in Erwägung ziehe, auch eine Straftat im Hause nebenan. In dem Jahr, als wir uns fanden, wurde hier nebenan ebenfalls jemand getötet, erinnerst du dich? So ein richtiges Ekel wurde mit einer antiken römischen Waffe erstochen.«
    »Ja, ich erinnere mich, Karin ermittelte auf heimischem Terrain.«
    »Mord unter Kopfweiden auf dem platten Land ist keine Seltenheit.«
    Der Satz stand wie fahle Luft im Raum.
    Eine Weile schwiegen die beiden und starrten hinaus auf das Leben am Futterhaus. Die dicke schwarze Amsel verscheuchte wieder alle anderen, um den Apfel zwischen den gestutzten Lavendelstauden für sich allein zu beanspruchen. Henner räusperte sich.
    »Wir müssen mit Karin reden.«
    »Genau, die muss sich darum kümmern. Der Nikolas hat sich schon mit

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