Die Sprache des Feuers - Roman
Gleiche. Ein bisschen Pro, und er zieht den Joystick ein wenig hoch, ein richtiges Pro, und er zieht ihn voll durch.
Im Grunde ist es nur die Hightech-Version der Daumenmethode, mit der die alten Römer über die Gladiatoren entschieden.
Doch mit dem Gerät kann man die »instinktiven« Reaktionen sofort messen, und zwar auf einer Skala von minus zehn bis plus zehn – und das bei jedem Geschworenen, bei jeder Frage und jeder Antwort. Die Geschworenen werden gründlich instruiert, dass sie nicht nachdenken sollen, nur reagieren. Bei einem schlechten Gefühl sollen sie drücken, bei einem guten Gefühl sollen sie ziehen.
Jack weiß, dass es nur die Bauchreaktionen sind, die so aufgezeichnet werden und die Gründe für die Reaktionen später in den Fragebögen nachzulesen sind. Aber er weiß auch, dass die genannten Gründe nur die nachgeschobenen Gründe für die Bauchreaktionen und das gefällte Urteil sind.
Egal was der Anwalt oder Richter sagt, die Jury entscheidet immer mit dem Bauch.
Das ProCon-Gerät spielt also eine Hauptrolle in diesem Verfahren.
Alle Leute im Observationsraum werden auf den ProCon-Monitor starren.
Nicht auf die Akteure im »Gerichtssaal« hinter der Einwegscheibe. Dort sitzen die »Geschworenen« auf einer nachgebauten Geschworenenbank, jeder mit einem kleinen Tischchen für den ProCon-Joystick. Dann gibt es einen Zeugenstand, einen Tisch für den Kläger, einen für den Beklagten – und ein Richterpult, hinter dem der Richter der Fokusgruppe sitzt.
Die zwei Sachverständigen, ein Yuppie-Pärchen, und der Moderator, ein etwas älterer Yuppie, kommen vom IFP , dem Institut für Prozessforschung, und was sie hier machen, ist ihr Beruf. Im Moment sind sie alle ein bisschen hektisch, weil es ein Eilauftrag ist. Den Nachmittag haben sie damit verbracht, eine demographisch korrekte Fokusgruppe zusammenzustellen. Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Ausbildung, Beruf – alles muss dem Bevölkerungsquerschnitt von Südkalifornien entsprechen. Und dem Auftraggeber des Ganzen in den Kram passen.
»Welches Ergebnis wollen Sie sehen?«, hat sich der ältere Yuppie vorher bei Casey erkundigt.
Wenn sie ihren Auftraggeber zufriedenstellen wollen, müssen sie wissen, ob der eine echte Fokusgruppe will oder nur eine Zirkusshow. Oft wird die Fokusgruppe dazu benutzt, den Mandanten zu beeinflussen, ihn zu Klage oder Schlichtung zu bewegen. Und weil die Leute vom Institut für Prozessforschung schon wissen, welcher demographische Querschnitt für Kläger von Vorteil ist und welcher für Beklagte, können sie ihre Auswahl entsprechend treffen – je nach Wunsch des Auftraggebers.
So machen sie es auch mit den Fragebögen und den Beratungen der Geschworenen. Sie können für das Ergebnis nicht garantieren, aber den Wünschen des Auftraggebers sehr weit entgegenkommen.
Daher die Frage: »Welches Ergebnis wollen Sie sehen?«
»Ein möglichst genaues«, antwortet Casey darauf.
Zum einen, weil er für seine alten Freunde Billy Hayes und Jack Wade keine Potemkinschen Dörfer aufbauen will, zum anderen, weil er das Ergebnis schon kennt.
Er wird sie gegen die Wand laufen lassen.
Genau das denkt Jack auch, als er den Richter reinkommen sieht. Der Kerl trägt sogar eine schwarze Robe, als wäre die Verhandlung echt.
Und er kommt ihm sehr bekannt vor, der Kerl.
»Wir sind tot«, flüstert er Goddamn Billy zu.
Denn der Richter ist kein anderer als der pensionierte Richter Dennis Mallon.
Vom Prozess gegen Freddy Kuhl.
Teppichlager Atlas.
86
Mallon lässt den Hammer fallen, was bei der Jury die erwartete Heiterkeit auslöst, und er bittet sie, die Fragebögen auszufüllen. In der folgenden Verhandlung, erklärt er ihnen, werde es um eine Brandsache gehen.
»Sie hören eine kurze Aussage des Klägers, dann die des Beklagten. Danach füllen Sie bitte den entsprechenden Fragebogen aus. Dann hören Sie den Zeugen des Beklagten, der erst befragt und dann ins Kreuzverhör genommen wird. Danach, jawohl, kommt der nächste Fragebogen dran, und hinterher beraten Sie den Fall, als wären Sie eine richtige Jury. Anschließend bitte ich Sie, Ihren Spruch zugunsten des Beklagten oder des Klägers abzugeben, und ihren Spruch über die Höhe der Entschädigung, falls Sie im Sinne des Klägers entscheiden. Ich empfehle Ihnen, sich Notizen zu machen, aber stellen Sie sich bitte darauf ein, dass die Notizen nach der Verhandlung eingezogen werden.
Und bitte spielen Sie immer schön mit Ihrem Joystick, damit die Leute im
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