Die Sprache des Feuers - Roman
zusammen, verschlingt ihn, überrollt ihn, lässt ihn nicht mehr los. Er schreit, hört sie gurren – ja, Baby! – und treibt in einem Ozean der Lust, hört seinen langen Schrei wie von ferne, er ist am Ertrinken, spürt seine Sinne schwinden, und als er wieder zu sich kommt, ist er gestrandet an ihrem weißen Körper, ihren weißen Brüsten, ihrem weißen Hals, dem schwarzen, verklebten Haar. Er fängt ihren Blick auf und beginnt wieder zu atmen, und seine Tränen beginnen zu fließen. Sie hält ihn fest in den Armen, während er schluchzt, während er seine zwölf leeren Jahre beweint.
95
Als Jack aufwacht, liegt er in Lettys Bett.
Erst fragt er sich Wo zum Teufel bin ich? , dann erschnuppert er den mexikanischen Kaffee und weiß Bescheid. Rollt sich aus dem Bett und tappt in die Küche. Da steht sie, neben dem Toaster, und nippt an ihrer Tasse.
»Eier mit Schinken hab ich nicht«, sagt sie, »aber Toast mit Kaffee kannst du haben.«
»Wunderbar!«
Er lässt sich auf den Hocker vor ihrer Küchentheke plumpsen und sieht aus dem Fenster. Große alte schwarze Eichen auf abschüssigem Weideland. Hinter dem Zaun grasen Pferde.
»Sind das deine?«, fragt er.
»Die gehören dem Nachbarn. Ich reite manchmal. Du auch?«
»Nur auf den Wellen.«
»Jedem seinen Ritt«, sagt sie, stellt ihm den Teller mit Buttertoast hin und setzt sich neben ihn. »Was machst du jetzt?«
»Ich fahre ins Büro und räume meinen Schreibtisch.«
»Denkst du, die feuern dich wirklich?«
»Wenn nicht, gehe ich freiwillig.«
»Das mußt du nicht.«
»Doch.«
Sie schweigen und sehen aus dem Fenster. Schön da draußen, denkt Jack. Die Bäume, die Wiesen, die Berge.
»Also, was hast du vor?«, fragt sie nach einer Weile.
»Weiß nicht.«
Wieder ein paar Minuten später: »Du könntest zu mir kommen.«
»Du musst mir nicht –«
»Das Haus muß dringend überholt werden«, sagt sie. »Du könntest dich hier nützlich machen, alles reparieren –«
»In deinem Bett schlafen ...«
»Als Bonus.«
»Für mich.«
»Wie galant!«
Wieder Schweigen, Kaffee, aus dem Fenster sehen. Dann sagt sie: »Das ist ein ernstes Angebot.«
»Ernst?«
»Es ist ehrlich gemeint, ganz spontan.« Sie blickt in ihre Kaffeetasse. »Wie oft kriegt man schon eine zweite Chance? Das gilt auch für mich.«
»Ja, ebenfalls«, sagt er und denkt: Wie romantisch von mir. Ebenfalls!
»Ach, wirklich?« Sie sucht seinen Blick.
»Ja, wirklich.«
»Also, mein Angebot steht.«
»Danke«, sagt er. »Kann ich drüber nachdenken?«
Denn er weiß, dass sie ihm das ganze Programm anbietet, den Start in ein anderes Leben – und er weiß, sie hat die Kinder noch nicht aufgegeben. Das ist schlimm, das sollte sie unbedingt tun.
»Letty?«
»Jack?«
»Du bekommst die Kinder nicht. Es ist vorbei.«
»Für dich vielleicht.« Sie steht auf und wischt die Küchentheke ab.
»Letty –«
»Hör zu. Du hast dein Bestes gegeben und verloren. Ich mach dir keinen Vorwurf, okay? Ich werfe dir nicht vor, dass du mich vor zwölf Jahren verlassen hast und ich deshalb keine Kinder habe. Ich sage nur, diese Kinder haben es verdient, dass ich mein Bestes gebe, selbst wenn du denkst, es ist zwecklos. Ich werde einen Anwalt finden, der das vor Gericht bringt, und wenn ich verliere, suche ich einen anderen Anwalt, und wenn ich wieder verliere ...«
»Okay.«
»Ich muss jetzt zur Arbeit. Kommst du heute Abend wieder?«
»Hm.«
»Ist das ein Ja oder ein Nein?«
»Nimm es als Ja.«
Sie stehen da und sehen sich an.
»Dann wäre jetzt der richtige Moment für einen Kuss«, sagt sie.
»Hm.«
Also küssen sie sich und bleiben eine Weile umarmt, bis er sagt: »Was hab ich vor zwölf Jahren nur gemacht? Das war ein schrecklicher Fehler. Ich hätte die Klage zurückziehen müssen.«
»Wahrscheinlich.«
»Das Leben dieses alten Mannes hatte mehr Gewicht als der Schaden.«
»Ich weiß, wie dich das gequält hat.«
Sie bringt ihn hinaus zu seinem Mustang, und er startet durch.
Zurück zu California Fire and Life.
96
Jack geht hinaus zu Billy.
In seinem Kaktusgarten ist es heißer als in der Hölle.
»Du wirst nicht gefeuert«, sagt Billy. »Eher lasse ich mich feuern.«
»Dann sehen wir uns beim Arbeitsamt.«
»Quatsch«, sagt Billy. »Ich geh einfach in Rente. Genieße meinen Lebensabend.«
»Ich kündige, Billy.«
»Bitte, tu’s nicht!«
»Werden sie zahlen?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann kündige ich.«
»Scheiße, Jack –«
Billy macht die Zigarette aus und
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