Die Sprache des Feuers - Roman
brauche ein komplettes Bestandsverzeichnis«, sagt Jack. »Damit wir sehen können, was zerstört ist und was nicht. Es ist aber nicht dringend.«
»Ich habe eine Videoaufnahme«, sagt Nicky.
»Wirklich?«
»Vor ein paar Monaten haben Pamela und ich beschlossen, endlich den Rat unseres Maklers zu befolgen und das ganze Haus mit Inventar auf Video zu filmen. Wäre das hilfreich?«
Ja, das wäre hilfreich, denkt Jack.
»Klar«, sagt er. »Wo ist das Video?«
»Hier bei Mutter«, sagt Nicky. Dann fällt ihm ein: »Sie sprachen von drei Deckungen. Welche ist die dritte?«
»Deckung D «, sagt Jack. »Zusätzliche Aufwendungen. Für alle Unkosten, die Ihnen entstehen, wenn Sie nicht in Ihrem Haus wohnen können. Mieten, Restaurantrechnungen, solche Dinge –bis Sie wieder etabliert sind. Aus dieser Deckung kann ich auch Vorauszahlungen veranlassen, damit Sie Kleidung kaufen können ... Spielsachen für die Kinder ...«
»Sehr entgegenkommend«, sagt Nicky.
»Sie sind eben sehr gut versichert«, sagt Jack.
Jetzt schaltet sich Mutter ein: »Nicky und die Kinder werden hier wohnen, bis das Haus repariert ist.«
»Das ist großartig«, sagt Jack.
»Ich berechne dafür 2000 Dollar Wohnkosten monatlich.«
Die tiefblauen Augen ruhen auf ihm – abwartend, herausfordernd. Sie will wissen, wie ich darauf reagiere, dass sie Geld von ihrem verwitweten Sohn und ihren mutterlosen Enkeln verlangt, denkt Jack.
» 2000 Dollar sind eigentlich ein bisschen wenig«, sagt Jack. Wir würden auch zahlen, wenn Nicky ein entsprechendes Haus mietet.«
»Dasjatnik bleibt hier!«, sagt sie.
»Natürlich kann er wohnen, wo er will«, sagt Jack. »Ich meine damit nur, dass wir auf jeden Fall die Kosten übernehmen.«
»Nun gut«, sagt sie schließlich. »Wozu soll ich auch die Versicherung subventionieren?«
»Dazu besteht kein Grund«, sagt Jack. »Ich kann Ihnen sogar einen Vorschuss von 25 000 Dollar auf Deckung D auszahlen.«
»Wann?«, fragt Nicky.
»Sofort.«
(Auch so eine Billy-Regel: Zahl ihnen einen Vorschuss, so schnell wie möglich. Leute, die abgebrannt sind, brauchen Kleider auf dem Leib. Kinder, die ihr Heim verlieren, sollen wenigstens ein bisschen Spielzeug kriegen. Dann geht es ihnen schon besser.)
Und wenn sie ihre Mutter verlieren, Billy?
Na ja, ich bringe ihnen den Hund.
Schweigen. Mutter hat gerade begriffen, dass sie offene Türen eingerannt hat, und ärgert sich.
Und da sie sich sowieso gerade ärgert, gibt Jack noch eins drauf. »Ich brauche eine Aussage auf Band von Ihnen. Es muss nicht heute sein.«
»Eine Aussage auf Band?«, fragt Nicky. »Warum?«
»Bei Brandschäden ist das Vorschrift«, sagt Jack.
Und da die Welt schlecht ist, lautet eine weitere Billy-Regel: Verlange eine Aussage, so schnell es geht. Nagle sie auf eine Version fest, bei der sie dann bleiben müssen. Wenn es keine Brandstiftung war, spielt es keine Rolle, wenn doch, dann ...
Billy hat mal wieder recht. Hol dir die Aussage auf Band. In allen Details. Und so bald wie nur möglich.
(Noch eine dritte Billy-Regel: Wenn du vorhast, jemanden zu überführen, solltest du ihm die Füße vorher in Beton gießen.)
Nicky lächelt charmant. »Haben Sie ein Gerät dabei?«, fragt er Jack.
Und ob er das hat.
20
»Jack Wade, California Fire and Life«, spricht er in den Rekorder. »Datum: 28 . August 1997 , 13 Uhr 15 . Ich zeichne eine Aussage von Mr. Nicky Vale und seiner Mutter Mrs. Valeshin auf. Ich mache diese Aufnahme in Kenntnis und Einverständnis von Mr. Vale und Mrs. Valeshin. Ist das korrekt?«
»Das ist korrekt.«
»Korrekt.«
»Bestätigen Sie bitte auch Datum und Uhrzeit?«
»Als korrekt bestätigt«, sagt Nicky.
»Dann können wir anfangen. Sobald ich die Aufnahme stoppe, gebe ich die Zeit an. Ebenso, bevor ich die Aufnahme fortsetze. So. Jetzt bitte ich Sie beide, Ihren vollständigen Namen zu nennen und zu buchstabieren.«
Eine Tonbandaussage ist eine heikle Sache. Einerseits mussman alle Formalitäten beachten, damit das Band vor Gericht Bestand hat. Andererseits handelt es sich nicht um eine eidliche Aussage oder ein gerichtliches Verfahren. Daher bewegt man sich immer auf dem schmalen Grat zwischen formal und zwanglos.
Nachdem sie also ihre Namen buchstabiert haben, kehrt Jack zurück zur Talkshow-Masche und legt los: »Mr. Vale –«
»Nicky.«
»Erzählen Sie mir doch zunächst ein wenig über Ihre Herkunft.«
Jack weiß, dass er sein Gegenüber zum Reden bringen muss. Worüber, ist egal. Hauptsache,
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