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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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lässt die damit einhergehenden Mitleidsbekundungen eine gewisse Zeit über sich ergehen. Aber er hat angefangen und jetzt muss er es auch zu Ende bringen.
    «Na ja, nicht ganz. Beziehungsweise ein paar schon.» Obwohl das alles schon ein Weilchen her ist, fällt es Carsten schwer, weiter zu erzählen. «Dummerweise gingen auch mir die Lichter aus und meine überlebenden Jungs waren so sehr mit sich und den anderen Verletzten beschäftigt, dass sie mich vergessen haben. Als ich wieder so halbwegs bei Sinnen war, stellte ich fest, dass Dragan Gagoric, ein Mitgespiele des jüngst verschiedenen Kriegshelden und ein paar seiner besten Freunde einen Anbau des Krsma – das war die Dorfpinte – gemietet hatten, um sich bei mir für meinen Einsatz und sein Ergebnis angemessen zu bedanken. Daher und von einigen weiteren kosmetischen Behandlungen in den nächsten Wochen stammt der größte Teil der Narben.»
    Mandy hat zwischenzeitlich das Atmen vergessen. Jetzt ist es ihr aufgefallen. Sie holt tief Luft.
    «Oh Gott, Carsten. Das ist ja schrecklich. Und wie bist du da rausgekommen. Konntest du flüchten?»
    «Ich konnte nicht einmal mehr stehen, von Gehen ganz zu schweigen. – Irgendwann im Herbst zweitausend kam eine Truppe von meinen KSK-Jungs und ein paar Holländern und haben mich herausgeholt. Offiziell ist das Ding in die Hose gegangen, weil die angeblichen Zielpersonen flüchten konnten, aber es ging eigentlich nur darum, mich aus der Sache heraus zu fischen, bevor zu viel von unseren Aktivitäten an die Öffentlichkeit dringen konnte. Ich wurde wieder zusammengeflickt und psychisch notdürftig geradegebogen. Als die deutschen Medien, allen voran die ARD, dann doch von unseren kleinen Schurkereien Wind bekam, wurde ich als Buhmann präsentiert und von Generalleutnant Helmut Willmann mit einer satten inoffiziellen Abfindung in den unehrenhaften Ruhestand geschickt. Ich hätte natürlich die Welle machen können, Stern, Spiegel, Focus, aber ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Ich wollte nichts mehr kaputt machen, ich wollte etwas aufbauen. Ich nahm die Kohle und begann auf meine alten Tage zu studieren.»
    «Wow! Dann bist du ja ein richtiger … ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll … eine Art tödliche Waffe … Elite-Kampfmaschine, KSK-Robocop oder so?»
    Carsten hat sich trotz Mandys Gewicht auf den Rücken gedreht. Mit leicht angehobenem Kopf blickt er zu seiner Freundin hoch.
    «Ich bin ein Gärtner. Sonst nichts. Am liebsten würde ich den ganzen Kram ein für alle Mal vergessen. Das Blut, die Gewalt, die Sinnlosigkeit …»
    «Das glaube ich dir nicht so ganz, Carsten. Du hast schon wieder einen Ständer.»

xix Stadtentwicklung
    Die wachsende soziale Schieflage großer Teile der Münsteraner Bevölkerung hatte gravierende Auswirkungen – auch und gerade – auf den Wohnungsmarkt. Normaler Wohnraum ist für die meisten unerschwinglich geworden. Für Outer-Münster, das heißt für die bebauten Flächen, die außerhalb der Promenadenmauer liegen, hat das verschiedene Konsequenzen. Das Kreuzviertel, ehemals das Vorzeigewohnviertel des akademischen Mittelstands, ist zur gesetzesfreien Zone geworden. Sollte Kurt Russell auf seine alten Tage eine weitere Flucht aus New York, L.A., Baltimore oder was auch immer planen, das Kreuzviertel könnte das desolat-stilvolle Ambiente dafür bereitstellen. Andere Viertel wie St. Mauritz wurden ebenfalls großzügig eingezäunt und sind mittels einer von hohen Betonelementen gesäumten Trasse mit Münster-Zentral verbunden. Die ehemals den eher unteren sozialen Schichten zugerechneten Ecken wie Berg Fidel und Coerde erfreuen sich aufgrund der besseren Sicherungsmöglichkeiten von Hochhäusern einer stark gewachsenen Beliebtheit. Die anderen Stadtteile sind so lala und bieten ihren Bewohnern die gewohnte, zeitgemäße bedingte Sicherheit – so sie denn keine groben Fehler machen. Der Rest lebt wieder auf dem Land oder – wie Carsten, Horst und Co. – auf den umliegenden Grünflächen, in diesem Fall eine aufgebohrte Kleingartenanlage zwischen Kanal und Gut Lütkenbeck mit Wassergraben und Zugbrücke. Schnuckelig, idyllisch und sehr stadtnah hört diese Enklave auf den schön klingenden Namen Klein-Wilkinghege.

xx Alter Ego
    Mandy und Carsten haben es entgegen aller Beteuerungen, es diesmal ruhiger angehen zu lassen, schon wieder getrieben und dabei eine Schneise der Verwüstung durch Carstens Bude gezogen. Jetzt liegen sie auf einer muffigen Decke in Griffweite

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