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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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wohlgefällig auf den – von den jüngsten Ausfällen einmal abgesehen – vollständig versammelten Rat der Stadt Münster beziehungsweise von dem, was von Münster übrig geblieben ist. Die Stimmungslage ist dem Anlass verpflichtet und speist sich aus einer Mischung von Borniertheit, guter Laune und mildem Kampfgeist. Schreckliche Dinge sind passiert. Vor Kurzem, vor einiger Zeit und in den letzten beiden Dekaden. Dinge, die nur durch das entschlossene Handeln der Verantwortlichen eine erträgliche Wendung nehmen konnten. Eine mehr als erträgliche Wendung, soweit es die Anwesenden, ihre Familien, Freunde und Bürger erster Klasse betrifft. Für alle anderen hält sich der Spaß in Grenzen. Freiherr von der Hohen Ward hat just die alljährliche Weihnachtsansprache gehalten. Ein wie immer wüstes Konglomerat aus larmoyantem Geschwafel, Brauchtumskitsch, pseudoreligiösem Weihnachtsglöckchengeklingel und kernigen Durchhalteparolen. Genau das, was die anwesenden Damen und Herren sich unter einer bunten Festrede vorzustellen bereit sind.
    Freiherr von der Hohen Ward beschließt seinen Vortrag mit den üblichen gehaltvollen Worten des Dankes für anwesende und nicht anwesende Personen sowie Wesen göttlichen Ursprungs und lässt die Wellen immer wieder erneut anschwellender Ovationen über sich hinwegspülen wie ein gestrandeter Wal, bevor er zum Gast des heutigen Abends überleitet. Seine Stimme ist durch den anhaltenden Kampf gegen das Weihnachtsgeläute von St. Lamberti heiser geworden, hat aber dennoch nichts von ihrem charakteristischen Timbre verloren.
    «Danke. Vielen Dank. Herzlichen Dank. Herr Stadtdirektor, liebe Anwesende, nochmals danke. – Wie Sie wissen – und wie ich in meinen Ausführungen präzisieren durfte – befindet sich Münster – das, was Münster ausmacht besser gesagt, beziehungsweise schon immer ausgemacht hat – in einer prekären Situation. Wir haben viel erreicht, nämlich den Übergang von einer plebiszitären Gruppendemokratie ohne wirkliche Klassengerechtigkeit hin zu einer echten Wertegesellschaft. Nun gilt es, diesen sozialevolutionären Vorsprung zu vergrößern. Eine Aufgabe, die angesichts zusammenbrechender Binnenmärkte unser aller äußersten Kraftanstrengungen erfordert. Neue Konzepte müssen gedacht, Althergebrachtes über Bord geworfen werden, wenn wir eine angemessene Stellung im weltweiten Wettbewerb halten, uns möglicherweise noch verbessern wollen. Dazu bedarf es Personen mit Visionen und der Potenz, diese Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Personen, die geben und nicht nehmen wollen, und damit komme ich zum Gast des heutigen Abends, zu einem ganz besonderen Gast. Einem Mann, der schon Großartiges geleistet, aber seinen Zenit – da bin ich mir sicher – noch lange nicht überschritten hat. Ein Mann, der zu einem Sinnbild wissenschaftlicher Kompetenz und Forscherdrangs geworden ist. Ein Mann, der die wirtschaftliche Dimension seines Handelns dabei aber nie aus den Augen verloren hat. Ein Wissenschaftler, der sich den kleingeistigen Angriffen seiner Kritiker und Neider nie ergeben mochte, stets über die Grenzen hinausgesehen und nach Horizonten gegriffen hat, die für andere gar nicht sichtbar sind.» Er legt eine kleine Stimmungspause ein, bevor er mit erhobener Stimme fortfährt. «Ich darf Ihnen Professor Doktor Hellström vorstellen, Arzt, Genetiker, Visionär. – Herr Professor, das Wort gehört Ihnen.»
    Professor Hellström tritt in den Kegel des warmen, gelben Scheinwerfers, der auf das Rednerpult gerichtet ist, und biegt das Mikrofon auf eine seiner Körpergröße angemessenen Höhe herunter. Obwohl nicht eben eine imposante Erscheinung, umgibt ihn doch die Aura des Erfolgs und der Rücksichtslosigkeit mit einer derartigen Intensität, dass man den Eindruck hat, er würde von innen heraus leuchten. Der Vortragsgast zieht eine Brille aus der Brusttasche seines Fracks, hält sie affektiert ins Licht und setzt sie auf. Dann schiebt er seinen breiten, schmalen Mund zu einem Fischmäulchen zusammen und blickt mit gerunzelter Stirn ins Publikum. Die Zuhörer interpretieren seine Mimik richtig und die Geräuschkulisse ebbt ab zu einem leichten Raunen. Professor Hellström schnalzt mit der Zunge und leckt sich über die schmalen, blutleeren Lippen, bevor er das Wort ergreift. Sein kurzer Oberlippenbart hat sich aufgestellt wie bei einem erzürnten Walross.
    «Sehr geehrter Herr Stadtdirektor, lieber Freiherr von der Hohen Ward, meine sehr verehrten Damen

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