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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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des Kühlschranks, was trinklogistisch eine gute Wahl ist. Carsten befindet sich in einem postkoital semi-verwirrten Zustand.
    «Was findet so ein leckerer Happen wie du an einem alten Sack wie mir», rutscht es ihm heraus. Tatsächlich fragt sich Carsten schon seit Längerem, warum Mandy ausgerechnet mit ihm die Kissen zerwühlt. Mandy hat ihr Bier – Belohnung und Trophäe zugleich – neben sich auf den Boden gestellt und versucht gerade ein – wie Carsten findet – unproportional großes Stück der Decke zu ergattern, um sich darin einzurollen. Nach einer Weile hat sie bekommen, was sie wollte und lässt sich wieder zu Boden sinken.
    «Na komm, sag schon.»
    Mandy rollt sich auf die Seite, stützt den Kopf auf eine Hand und schaut Carsten ins Gesicht. Ihre grauen Augen haben eine blass orangefarbene Corona um die Pupille herum, was ihrem Blick eine unglaubliche Präsenz verleiht und Carsten aufs Neue einen wohligen Schauer über den Rücken jagt. Am liebsten würde er sich aufrichten und die kleinen Fältchen um ihre Augen herum küssen, aber er weiß, wohin das führen kann und reißt sich zusammen.
    «Fishing for compliments, Klunckerchen, oder?»
    Bei anderen Frauen würde man das Grinsen sardonisch nennen, bei Mandy ist es ein Sonnenaufgang.
    «Nein, also ich meine, gegen ein paar Ovationen ob meiner gerade erbrachten Leistungen hätte ich nichts anzuwenden, aber in diesem Fall, dachte ich …»
    «Ach, ihr Männer», seufzt Mandy und zwinkert ihm zu, «immer nur Kraft und Jugendlichkeitswahn. Nie könnt ihr eurer Alter als eine Belohnung für geleistete Dienste begreifen.»
    «Das muss mir eine Frau gerade sagen.»
    «Nein, ehrlich. Ich meine, schau dich doch mal an.»
    «Habe ich vor Kurzem noch gemacht und ich muss sagen, dass ich nicht beeindruckt war. Nicht sonderlich jedenfalls. Eine wie auch immer geartete Belohnung konnte ich nicht erkennen.»
    «Das liegt daran, dass du die Dinge aus der falschen Perspektive siehst.»
    «Ach ja? Und was wäre die richtige?»
    «Also erstmal ist es total beruhigend, dass alles langsam zu Ende geht, der ganze Stress aufhört, keine Überraschungen mehr kommen können, keine Anstrengungen für vermeintlich wichtige Ziele nötig sind. Man kann sich endlich auf das Wesentliche konzentrieren.»
    «Was meinst du denn mit ‹das Wesentliche›?»
    «Na, was haben wir denn gerade getrieben, du Tier?»
    Mandy greift unter die Decke und zieht an Carstens Klingelschnur, was dazu führt, dass erneut sexualrelevante Botenstoffe in seinen Blutkreislauf eingespeist werden.
    «Du meinst, man hat mehr Zeit für geschlechtliche Begegnungen der späten Art?»
    «Genau. Man kann sich voll auf den Spaß konzentrieren, weil Aspekte der Fortpflanzung, des sozialen Rankings, persönliche Eitelkeiten und natürlich Zeitprobleme in den Hintergrund getreten sind. Zumindest sollten sie das.»
    «Sollten? Willst du damit möglicherweise sagen, dass du ein wenig eitel bist?»
    «Ich nicht, aber du!»
    «Was? Ich? Eitel?»
    «Ich habe dich genau beobachtet. Du hast vor dem Spiegel gestanden und Grimassen gezogen, an der Haut herumgepult, kontrolliert, ob der Scheitel breiter geworden ist.»
    «Was hat das mit Eitelkeit zu tun. Das war eine routinemäßige Inspektion.»
    «Und? Warst du mit dem Ergebnis zufrieden?»
    «Äh, nein.»
    «Warum denn nicht?»
    «Schau mich doch mal an. Diese Falten überall, meine Haut ist gesprenkelt wie ein Kuckucksei, die paar Haare, die ich noch retten konnte, sind grau, die Augen …»
    «… sind noch genau die gleichen wie vor fünfzig Jahren. Nur dass sie gelernt haben, Dinge zu sehen, die sie früher nicht sehen konnten – oder wollten.»
    «Du meinst, das Auge war blind für das, was der Geist nicht sah?»
    «So ähnlich.»
    «Willst du wissen, was ich jetzt sehe?»
    «Hmm.»
    «Eine Göttin!»
    Mandy muss gegen ihren Willen kichern.
    «Ich nehme alles zurück, Carsten. Du bist zwar galant wie ein argentinischer Tanzlehrer, dafür aber blind wie ein Maulwurf.»

xxi Der Plan
    Gemütlich flaniert Carsten den Kiesweg innerhalb des Wassergrabens entlang. Es ist kurz vor Weihnachten und neuer Schnee liegt in der Luft. Den rechten Arm hat er um die warm verpackte Hüfte seiner neuen Flamme gelegt, die linke Hand hält eine Tüte mit versteinerten Brotresten, die er den betriebseigenen Enten, die an einem Eisloch im Wassergraben wohnen, in die gierigen Schnäbel schieben will. Helmut hat derweil die Aufgabe übernommen, Carstens Haus vor einer Invasion

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