Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
und Herren. Was liegt näher, als das Weihnachtsfest für die Besinnung auf Dinge zu nutzen, die den Geist des Menschen immer schon mehr angeregt haben als eitles Tun und irdischer Tand. Ich spreche vom Tod . Aus der Sicht des Wissenschaftlers und Forschers ist der Tod der endgültige Verlust der für ein Lebewesen typischen und wesentlichen Lebensfunktionen, die unumkehrbare Desintegration lebensnotwendiger Organe und des zentralen Nervensystems, die wiederum durch den Tod der einzelnen Zellen ausgelöst wird. Was jedoch ist dafür verantwortlich, dass unsere Zellen, dass wir sterben? Welche Gründe gibt es dafür, wenn man Einflüsse wie Unfälle, Fremd- oder Selbsttötung und Krankheiten außer Acht lässt? Wir werden älter, aber was passiert dabei? Welche Prozesse führen dazu, dass unsere Körper, unsere Zellen uns auf so schnöde Weise im Stich lassen. Gibt es Strategien zur Immortalisierung – wie man in der Zellbiologie das Unsterblichmachen von Zellen nennt? Gibt es Unsterblichkeit ?»
Professor Hellström macht eine dramatische Pause. Im Saal ist es totenstill geworden. Märchenstunde.
«Lassen Sie mich zunächst ein wenig ausholen. Was ist Unsterblichkeit überhaupt? Die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte unserer Welt geht diesbezüglich von durchaus unterschiedlichen Ansätzen aus. Grundsätzlich könnte man sagen, dass Unsterblichkeit die Vorstellung eines zeitlich unbegrenzten Lebens sowohl in physischer als auch in spiritueller Form ist. In erster Linie zu nennen wäre natürlich die Unsterblichkeit der Seele als zentraler Bestandteil des Glaubens an ein ewiges Leben nach dem Tod mit seinen zahlreichen weltweiten religiösen und weltanschaulichen Implikationen, an zweiter Stelle – und damit komme ich zum Kern meines Vortrags – die Abwesenheit oder das Aufhalten des Alterungsprozesses in einem Organismus, die künstliche Verlängerung des Lebens, die Übertragung des Bewusstseins auf einen anderen, robusteren Träger, biologisch, kybernetisch, elektronisch. Wenn wir nicht altern würden, könnten wir durchaus zwischen siebenhundert und achthundert Jahren leben, wenn man äußere Einflüsse ausschließt. Trotzdem liegt das faktisch erreichbare Lebensalter schon seit sehr langer Zeit konstant bei etwa einhundertzwanzig Jahren. Woraus ergibt sich diese Diskrepanz? Warum werden wir älter? Was ist Altern überhaupt? – Das, was wir primäres oder auch physiologisches Altern nennen, wird aus Sicht der Biologen durch zelluläre Prozesse hervorgerufen. Prozesse, die auch in Abwesenheit von Krankheiten ablaufen, durch Krankheiten jedoch enorm beschleunigt werden können. Diese Form des Alterns definiert die für einen Menschen maximal erreichbare Lebensspanne.»
Professor Hellström fixiert seine gebannt lauschenden Zuhörer mit starrem Blick. Dann fährt er fort.
«Damit unser Körper seine Lebensfunktionen aufrechterhalten kann, bildet er in jeder Sekunde rund fünfzig Millionen neue Zellen. Tatsächlich werden aber nicht alle Zellen im selben Rhythmus ersetzt. Manche leben nur ein paar Stunden, andere Jahre und einige wenige Milliarden bleiben uns ein Leben lang erhalten. Wenn Zellen sich jedoch erneuern können, warum tun sie das nicht bis in alle Ewigkeit? Was kann man tun , um das biologische Altern des Menschen hinauszuzögern und das Leben insgesamt zu verlängern? Wie kommt es überhaupt zum Prozess des Alterns? – Leider gibt es viele Ursachen für das Altern, lassen Sie mich an dieser Stelle nur die sogenannten freien Radikale erwähnen.
Was zum Beispiel passiert mit unserem Körper, wenn wir atmen? Nun, die in den meisten Zellen vorhandenen Mitochondrien, vereinfacht gesagt Zellteile, die für den Energietransport zuständig sind, nutzen den eingeatmeten Sauerstoff, um Energie in Form des Nukleotids Adenosintriphosphat zu produzieren. Bei ein bis zwei Prozent des aufgenommenen Sauerstoffs verläuft dieser Prozess aber fehlerhaft, denn diese Sauerstoffatome, die Hauptgruppe der freien Radikale, können auf andere Membranen, andere Proteine oder Chromosomen treffen, diese beschädigen oder sogar zerstören, und zwar in der Größenordnung von etwa zehntausend DNS-Schädigungen pro Tag. Ein großer Teil dieser Schäden kann wieder repariert werden, aber eben nur ein Teil. Die Effektivität dieser körpereigenen Reparaturmechanismen ist ein entscheidendes Kriterium für die Lebensspanne des jeweiligen Individuums. Was können wir also tun, um diesen Prozess zu unseren Gunsten zu
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