Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Kamelhaarmantels. Sie hält Carsten das Foto direkt vor die Augen. Carsten zwinkert und geht zwei Schritte zurück. Der verschwommene schwarzweiße Klecks auf dem Bild wird schärfer und zeigt Kater Helmut in postkoitaler Gewinnerpose.
«Kennen Sie den?»
Carsten kramt vorsichtig einen nachdenklichen Gesichtsausdruck aus seiner Gestenschublade. Nach einer Weile sagt er:
«Nicht, dass ich wüsste. Äh, sollte ich?»
«Ich habe gehört …»
Noch bevor die Frau ihren Satz beendet hat, ist Carsten zwei weitere Schritte zurückgewichen und hat die Tür vor ihrer Nase vorsichtig ins Schloss gedrückt.
xxxiii Katzengespräch
Carsten und Horst sitzen auf der Bank vor Carstens Hütte und nuckeln wortlos an ihren Fläschchen. Schräg vor ihnen auf dem Kiesweg ruht Helmut. Das jüngst genossene opulente Mal und die daraus resultierende Auswölbung seines Unterbauchs haben ihn in eine leichte Schräglage gezwungen, sodass er aussieht wie ein krängender Tanker.
Just in dem Moment, als Carsten sich für eine weitere Nachschubfahrt in die Küche entschieden hat, raschelt es im Gebüsch und ein properer rotblonder Kater betritt forsch das Areal. Noch bevor er die Gesamtlage in Gänze erfasst hat, ist Helmut auf die Pfoten gesprungen, Mikrosekunden später ist sein massiger Körper auf Konfrontationskurs mit dem Eindringling gegangen, die Ohren angelegt, den hinteren Teil seines Rückenpelzes aufgestellt wie ein erzürntes Stachelschwein, dahinter der steil in die Höhe gereckte Schwanz, nun von der Dimension einer XXL-Flaschenbürste. Aus der Kehle kommt ein tiefes, heiseres Brummen. Der Neuankömmling stoppt die Vorwärtsfahrt und blickt dem schwarzweißen Monster einen Moment lang in die weit aufgerissenen Augen, bevor er beginnt, mit zitternder Schwanzspitze vorsichtig Schritt für Schritt rückwärtsgehend das Gelände zu verlassen. Eine halbe Minute später liegt Helmut schon wieder schnarchend auf der Seite. Horst fasst den Vorfall in seine gewohnt knappe Prosa.
«Das muss man ihm lassen: Sein Ego ist so groß wie sein Appetit.»
xxxiv Carstens Verdacht
Carsten sitzt auf der Bank neben seiner Haustür. Vor ihm auf einer Holzkiste hockt Horst. Das große rote Kreuz auf seiner Brust ist der einzige Farbklecks im ansonsten noch unbelaubten Garten. Es geht gegen Ende März und obwohl die Sonne schon den Aufstand probt, ist es noch kühl.
«So wird das Bier wenigstens nicht so schnell warm», sagt Horst in Rückbezug auf die allgemeine Wetterlage. Carsten sagt nichts.
«Sag mal, Carsten, solltest du nicht gelegentlich mal wieder ans Arbeiten denken? Oder bist du jetzt endgültig in Rente gegangen?»
«Rente? Ich hab Urlaub.»
«Urlaub? So was gibt es noch?»
«Unbezahlter Urlaub. Was willst du um diese Zeit mit einem Gärtner anfangen?»
«Ich? – Nichts. Ich habe aber auch keinen Garten. Was ist mit deinem Boss? Der hat jede Menge davon, wie man hört.»
Carsten steht auf und geht in die Hütte. Nach einer Weile kommt er mit zwei weiteren Flaschen zurück. Nach kurzer Bedenkzeit reicht Carsten eine davon weiter an Horst.
«Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Nächste Woche gehts wieder los.»
«Und – freust du dich?»
Carsten macht ein Gesicht wie drei Tage Dauerregen.
«Kanns kaum erwarten.»
Nach einer gefälligen Trinkpause greift Horst das Gespräch wieder auf.
«Wo ist Helmut?»
«Bumsen.»
«Woher weißt du das? Liest du heimlich seine Liebesbriefe?»
«Ist jetzt seine Zeit. Müsstest du als Hundedoktor doch besser wissen. – Abgesehen davon versteckt Helmut seine Post vor mir.»
Horst grinst.
«Und warum sollte er das tun?»
Jetzt muss auch Carsten grinsen.
«Ich weiß nicht. Helmut tut immer so scheinheilig, aber ich habe den Verdacht, dass mehrere Vaterschaftsklagen gegen ihn anhängig sind. – Ich hatte neulich schon wieder Besuch von einer empörten Katzenpflegerin. Sie hat mir ein Foto gezeigt.»
«Von ihrer Katze? Wie goldig.»
«Nicht von ihrer Katze. Von Helmut.»
«Ah, verstehe.»
Eine weitere halbe Stunde geht ins Land. Eine Wolke hat die Sonne verdeckt, es beginnt schattig zu werden. Carsten sitzt in unveränderter Position auf seiner Bank, er hat die Stirn in eine Zusatzportion Falten gelegt.
«Apropos Helmut. Habe ich dich schon mal gefragt. Wo hast du das Vieh eigentlich her? Und warum kannte Mandy Helmut und umgekehrt. Da ist doch irgendwas faul. Sag mal, Horst, du verschweigst mir doch nicht etwas, oder?»
Horst wirkt mit einem Mal nicht mehr ganz so
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