Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
ist hartnäckig. Weitere fünf Minuten später gibt Carsten auf und geht zur Tür. Draußen steht Horst.
«Bier dabei?»
Horst hebt seine leeren Hände. Noch bevor er sie wieder sinken lassen kann, hat Carsten ihm die Tür vor der Nase zugeknallt.
xxx Kalter Kater 2
Es klopft. Carsten stellt seinen Bierkrug auf den Tisch, drückt sich vorsichtig an Helmut, der ihn missmutig anstiert, vorbei, geht zur Tür und öffnet sie. Draußen steht Hanna Fieber. Sie trägt einen räudigen Pseudokaninchenfellmantel in schreienden Farben und zu viel Augen-Make-up. Ihr fettes Faltengesicht hat sich zu einem koketten Ausdruck verzogen, eine Hand ist auf die Hüfte gestützt, die andere hat den Türrahmen umfasst. Eine Maßnahme, die angesichts der waffenscheinpflichtigen Stilettos an ihren Füßen mehr als angebracht ist.
Carsten räuspert sich.
«Was willst du, Stangenfieber?»
Hanna senkt die Lider und schenkt Carsten einen schweren Blick ungezügelter Verheißung. Dann greift sie mit beiden Händen nach vorn, öffnet den Mantel und erlaubt ihrem Gegenüber einen großzügigen Blick auf die von luftiger Spitze umgebene Auslage eines orthopädischen Unterwäschefachgeschäfts. Der Bereich um die Brustwarzen ist großzügig ausgespart, der gewellte Unterleib ist unbedeckt und hat eine Rasur dringend nötig.
«Na, gefalle ich dir?»
Carsten wirft die Tür mit Schwung zurück ins Schloss.
xxxi Kalter Kater 3
Carstens liegt auf dem Rücken und blickt hinauf in die dunklen, schweren Wolken, die fast zum Greifen nahe über seinem Kopf hängen. Carsten würde sich gern ein kleines Stück davon schnappen. Als Königsschnitte für seine Wettersammlung vielleicht, als Andenken, als etwas, das nur ihm gehört. Damit er diesen Tag nicht vergisst. Warum darf er diesen Tag nicht vergessen? Richtig. Es ist der Tag seiner Beerdigung. Um ihn herum stehen einige Mitglieder seiner geriatrischen Wohngemeinschaft. Horst, die Stirn gerunzelt, Sabine, wie immer heulend, die Dorschens, stoisch bis feindselig, wollen sich wahrscheinlich nur vergewissern, dass er wirklich für immer verschwindet, Stangenfieber, in ein schwarzes Dirndl gewandet, die schmutzigweiße, gerüschte Bluse umschließt den wogenden Vorbau. Horst sagt etwas, dann beugt sich die Stangenfieber vor und küsst ihn auf den kalten, starren Mund. Dieses Mal ist niemand da, der sie daran hindern kann, am wenigsten Carsten selbst. Kaum dass der Blick auf die Wolken wieder frei geworden ist, wird Carsten mit einem Leinentuch bedeckt und verzurrt. Dann geht es abwärts in die Grube. Unten angekommen spürt er, wie die nasse Erde um ihn herum widerwillig nachgibt, der Matsch ihn umschlingt. Für immer mein. Carsten sehnt sich zurück, der Blick nach oben, atmen, Mandy, den einen oder anderen Fehler zum zweiten Mal machen, zum dritten Mal. Aber es ist vorbei. Die erste Schaufel schwere Erde klatscht auf seinen Oberkörper, durchnässt sein neues Leinenkleid. Dann in unregelmäßiger Folge einige kleinere Portionen, kleine Schaufel, Hand voll. Dann Stille. Gerade als Carsten sich zu fragen beginnt, was nun passieren soll, fällt die nächste Schaufel Erde auf seine Brust, dann noch eine und noch eine und noch eine. Es hört nicht mehr auf. Carsten will schreien, aber der unglaubliche Druck erstickt jedes Wort. So ist es also, wenn man begraben wird. Tonnen von Erde drücken einen tiefer und tiefer, bis man vor dem Tor zur Unterwelt steht und von jemandem empfangen wird, der die Rechnung aufmacht. Das Gewicht wird unerträglich. Carsten öffnet die Lieder und blickt in ein paar schreckliche grüngelbe Augen, die bar jeden Gefühls und eindeutig nicht menschlich sind. Kleine Inseln von Licht schwimmen in der Iris, die Pupillen sind schmale senkrechte Schlitze. Raubtieraugen. Katzenaugen. Es sind die Augen von Helmut. Bevor Carsten etwas sagen kann, ist der Kater von seinem Oberkörper gesprungen und davon geschlendert. Der Druck auf der Brust ist verschwunden. Carsten wischt sich den Schweiß von der Stirn und wirft einen Blick auf seine Uhr. Fünf. Fütterungszeit.
xxxii Kalter Kater 4
Es klopft an der Tür. Carsten quält sich aus seinem Lieblingssessel – der Einzige, den er hat – und rudert durch den Raum Richtung Eingang. Im Vorgarten steht eine ihm unbekannte Frau mit einer steilen Falte zwischen den Augenbrauen.
«Ja, bitte?», fragt Carsten vorsichtig.
Die Frau kommt näher, mustert ihn unwillig und zieht schließlich ein Foto aus der Außentasche ihres antiken
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