Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
verborgenem Wissen, das danach schreit, freigelegt zu werden, endlich herauszutreten ins Licht der Wahrheit. Er gibt seinem Rechtsaußen einen erneuten Wink und die Riemen werden ein weiteres Stückchen straffer gezogen. Bis zu dem Zeitpunkt, da der Schmerz den Delinquenten dazu verführt, wirre Geschichten aufzutischen, alles, jedes und noch ein bisschen mehr zu gestehen, ist es noch weit und der Großinquisitor ist willens, auf dem Weg dorthin reiche Ernte einzufahren.
«Jochen Heffter. Du weißt, warum du hier bist. Sag es uns!»
Klack, klack, klack …
lxi Der Lieferanteneingang
Langsam rollt der Einsatzbulli eine Rampe hinunter und bleibt stehen. Ein Bewegungsmelder nimmt seine Anwesenheit wohlwollend zur Kenntnis und animiert mehrere Leuchtstoffröhren, unwillig flackernd ihre Arbeit aufzunehmen. Sie befinden sich in einer mittelprächtigen Tiefgarage.
«Fällt dir was auf?» Erkan Ederim hat einen Unterarm auf das Lenkrad gestützt und blickt Carsten von der Seite an. Mit der Skimaske auf dem Kopf sieht er noch gruseliger aus als sonst.
«Mir was auffallen? Sollte es das?»
Carsten ist leicht irritiert. Die Tiefgarage sieht nicht aus wie der Eingang zu einem Hightech-Labor.
«Keine Frauenparkplätze.» Erkan Ederim kichert leise. Carsten schüttelt den Kopf. Bullenhumor.
«Wo sind wir hier. Was soll das?»
«Hast du keine Augen im Kopf? Das ist der Lieferanteneingang. Oder besser -ausgang, denn hier wird nicht geliefert, sondern abgeholt.»
«Ich weiß nicht, was du meinst. Gehts auch etwas deutlicher?»
«Du warst schon immer schwer von Begriff, Kanalratte.»
In der Tat hat Carsten nicht den blassesten Schimmer, was sein alter Dennochkumpel meint. Allerdings ist er nicht bereit, das zuzugeben. Schon aus Prinzip nicht. Er öffnet die Beifahrertür, dreht sich um seine Achse und gleitet vorsichtig vom Sitz. Irgendein Nerv in der Höhe des fünften Lendenwirbels protestiert energisch, dann steht er auf dem speckigen Betonboden.
«Also was? Was sollen wir hier?»
«Was ist das für eine Frage? Du wolltest doch unbedingt hier rein. Und das ist nun mal der einzige Zugang, der nicht rund um die Uhr beäugt wird. Und das aus gutem Grund.» Erkan Ederim kichert erneut. «Außerdem ist es der einzige Zugang, zu dem man ohne dumme Nachfragen den Schlüssel bekommt.»
Carstens Blick fällt auf einige längliche Rollgestelle, die zu einem bizarren Muster verschlungen neben einem großen Müllcontainer in einer Ecke stehen.
«Und deshalb auch der schwarze Bulli?»
«Jetzt hast du es geschnackelt.»
Sie befinden sich in der Leichenausgabe der alten Kliniken. Keine so dumme Idee, wie Carsten sich eingestehen muss.
«Wie du dir vorstellen kannst, war hier in der letzten Zeit jede Menge los, da fallen ein paar Leutchen mehr oder weniger nicht auf. Außer in der Nacht natürlich, aber jetzt dürfte keiner mehr hier sein. Haben alle Angst vor dem bösen Mann, die Trottel. – Mir machen eher die Lebenden Sorgen.»
Erkan Ederim rüttelt an der Seitentür des Bullis, die sich partout nicht aufschieben lassen will. Carsten klettert wieder auf den Beifahrersitz und von dort vorsichtig in den Laderaum. Man hört ihn kurz rumoren, dann wird die Schiebetür von innen geöffnet.
«Fass mal mit an. Aber vorsichtig!»
Carsten hat den Rollstuhl mit der bewusstlosen Mandy in die Türöffnung geschoben. Mandy macht keinen guten Eindruck. Ihr Kopf ist auf die Brust gesunken, schabende Atemgeräusche zeugen von der schier unmenschlichen Anstrengung weiterzuleben. Erkan Ederim will zunächst in die Speichen der kleinen vorderen Lenkräder greifen, entscheidet sich dann vernünftigerweise für das Chassis. Behutsam heben sie den Rollstuhl aus dem Bulli und setzen ihn ab.
«Und weiter?»
Erkan Ederim deutet mit dem Kopf auf ein Rolltor an der hinteren Wand. Ein Spaßvogel hat ein paar putzige Knochenmännchen auf das Tor gesprüht. Darunter steht in ungelenken Buchstaben: «So wie wir sind, so wirst du sein.» Carsten schüttelt sich unwillkürlich.
Erkan Ederim hat das Graffiti ebenfalls bemerkt.
«Die sind wenigstens noch am Stück. Das kann nicht jeder von sich behaupten, hier unten.»
Er lässt Carsten mit dem Rollstuhl zurück und geht behäbig hinüber zum Tor. Neben dem Tor ist ein schuhkartongroßer Kasten an die Wand geschraubt. Auf der Vorderseite befindet sich eine angestoßene Zehnertastatur. Daneben hängt ein weiteres Kästchen mit je einem großen roten und einem großen gelben Knopf. Ederim zieht einen
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