Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Eitelkeiten. Schwer zu kontrollieren. Und jetzt dieser neue Wahnsinn. Essen vom Baum der Erkenntnis, sich gleichmachen wollen mit dem Schöpfer. Ewige Jugend. Da hört der Spaß aber nun wirklich auf. Zeit, den Zorn des Herrn herabzuziehen und die überhebliche Brut hinaus zu schwemmen aus dem Garten Eden, hinab zu spülen in den Schlund der Hölle und in großen Kesseln bei kleiner Flamme gar zu kochen. Der Kardinal tröstet sich mit einem weiteren Schluck des köstlichen Weins. Wenn alles doch nur so einfach wäre. Die ganze Bande einfach exkommunizieren, die Vermögen einziehen, ein paar Exempel statuieren. Vor seinem geistigen Auge brennen schon die Scheiterhaufen auf dem Domplatz, wo eine sensationslüsterne Meute kritikarmer Extremgläubiger heulend das Ende einiger uneinsichtiger Genforscher begleitet. Ein Fest für Augen und Ohren. Katholisches Barbecue. Er würde persönlich die Fackel an die trockenen Holzstapel halten, einen letzten Blick auf die qualvoll aufgerissenen Münder der Ketzer werfen, bevor die emporschlagenden Flammen ihnen den letzten Atem aus den Lungen saugen. Er kann es förmlich riechen, das brennende harzige Holz, das brutzelnde Fleisch, zischendes Körperfett, das sich mit dem Öl der Brandbeschleuniger mischt. Was für eine schöne Vorstellung. Aber leider weit von der Realität entfernt. Zukunftsmusik. Noch. Immerhin, einiges hat sich getan. Das säkulare Recht mit seinen zahllosen Raffinessen und Verdrehungen hat sich gewandelt, die Kirche kann wieder etwas fester zupacken, jetzt, wo die heilige Inquisition als neue alte Querschnittsabteilung reaktiviert wurde. Die heilige Inquisition, was für ein herrlicher Haufen. Und er ist der Chef. Rolf Schultheiss, Großinquisitor von Münster. Ein Mann, der es versteht, die Knochen krachen zu lassen, das Feuer zu schüren. Der immer ein offenes Ohr hat für die kleinen Geständnisse seiner Klienten während der hochnotpeinlichen Befragung durch seine speziell geschulten Mitarbeiter. Eine Arbeit, die dankbar ist und Freunde schenkt. Jede Menge Freude. Jedenfalls mehr als die faden Eskapaden mit einigen seiner weiblichen Schutzbefohlenen im Beichtstuhl. Die immer nur stöhnen, aber nie schreien. Ach, wie gerne würde er der selbstgefälligen Freiherrin von der Hohen Ward die Lederriemen um die Gelenke legen, einen Blick in ihre angstvoll geweiteten Augen werfen, wenn die Zahnräder der Bank ineinandergreifen. Stattdessen muss er sich mit renitenten Atheisten wie diesem Abschaum von einem Arzt herumschlagen, der im Keller auf ihn wartet. Nur um ein paar Informationen zu erhalten, die man ihm im Beichtstuhl böswillig vorenthält. Münsters Ordnungsbehörden mögen zwar im Großen und Ganzen gottesfürchtig sein, effektiv sind sie nicht. Sprengmeister, Gralshüter, letztendlich muss man doch alles selber machen. Er wirft einen Blick auf die alte Standuhr neben dem Sekretär, dann packt er das Glas am Stil und stürzt den Rest des Inhalts hinunter. Auch wenn er sein Hobby zum Nebenjob gemacht hat, Arbeit bleibt es trotzdem.
lx Profis bei der Arbeit
Süßer die Knochen nie krachten. Wohlgefällig gleitet der Blick des Großinquisitors über seinen Arbeitsplatz. Man mag sagen, was man will, das Ambiente hat Stil. Was sein Innenarchitekt aus diesem alten Gewölbekeller gezaubert hat, sucht hierzulande sicher seinesgleichen, und das Wichtigste ist, dass auch die Kundschaft die liebevolle Ausstattung zu schätzen weiß und sich mit einem überproportional großen Mitteilungsbedürfnis erkenntlich zeigt. Obwohl sein Vorarbeiter, ein gestrandeter Spätkonvertierter, der lange Jahre für die interne Informationsbeschaffung des MAD im nun nicht mehr so Nahen Osten tätig war, immer behauptet, dass die Technik seit der Blütezeit der Inquisition nicht stehen geblieben ist, und dass gerade der gekonnte Einsatz von Elektrizität die Beredsamkeit eines Klienten ungemein erhöhen kann, mag sich der Großinquisitor nicht so recht von der Anwendung der altüberlieferten brachialorthopädischen manuellen Techniken trennen, Effektivität hin oder her. So finden sich im Keller neben diversen stilvollen Nachbauten auch einige Originalbefragungswerkzeuge aus der Glanzzeit seiner Branche, deren Anblick nicht nur den Klienten, sondern vielmehr auch dem Anwender selbst den einen oder anderen Schauder den Rücken hinunterlaufen lässt.
Das Zentrum des Arbeitsbereichs bildet eine antike, aber bestens erhaltene Streckbank aus dem sechzehnten Jahrhundert, die im Laufe
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