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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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auf den breit gewordenen Scheitel. Der dumme Mond hat geradezu gegrinst, wenn er mit Mandy untergehakt fröhlich pfeifend aus der Gemeinschaftstränke Richtung Hütte gewankt ist. Vor dem Einschlafen in ihren grauen Locken zu wühlen, an ihr zu riechen. Geschlechtliche Begegnungen der dritten Art, wo und wann immer sich Kraft und Gelegenheit ergaben, auf drei Pötten zwar nur noch, aber mit aufheulendem Motor. Jedes Mal kann das letzte Mal sein. So war es dann ja auch. Warum kann er nicht halbe-halbe machen mit Mandy, ihr die Hälfte seiner letzten Jahren – wenn es denn noch Jahre sind und nicht Monate, Wochen oder Tage – übertragen, spenden wie die im Zweifelsfall entbehrliche zweite Niere. Er schaut hinüber zu Mandy, die mit weit zurückgelegtem Kopf regungslos in ihrem Rollstuhl hockt. Am Hals treten zwei Sehnen hervor, straff gespannt, als könnten sie jeden Moment reißen. Carsten steht auf, geht zu ihr hinüber und legt behutsam seinen Arm unter ihren Halsansatz, dann biegt er den Kopf vorsichtig zurück in eine aufrechte Position. Mandy flüstert irgendetwas, er kann es nicht verstehen. Gerade als er sich hinabbeugen will zu ihren Lippen, sieht er Erkan Ederim aus der Luftschleuse treten. Er macht eine ungeduldige Bewegung mit dem Arm und verschwindet wieder im Gebäude. Carsten gibt sich einen Ruck. Es geht weiter.

lxxiii Nächtliche Ruhestörung
    Die Hacke beschreibt einen perfekten Kreisbogen und rast nach unten, bis ihre Bewegung durch einen ordentlichen Brocken Münsterländer Sandstein abrupt beendet wird. Pick. Der Kreislauf wird erneut in Gang gesetzt, kurz bricht sich die Sonne an der metallisch glänzenden Spitze, bevor sie erneut in Richtung Stein rast. Pick. Und wieder. Pick. Und wieder. PICK, PICK, PICKKK, PIIEECCKKKK.
    Elias Grothues reißt die Augen auf. Was für ein grässlicher Traum. Straßenbau im Mittelalter als Ein-Euro-Job ohne Kündigungsmöglichkeit. Vorsichtig hebt er das rechte Bein. Keine Eisenkugel, kein stählerner Ring am Fußgelenk. Das Geräusch allerdings ist real und mittlerweile zur Lautstärke einer durchstartenden Luftschutzsirene angeschwollen. Es kommt von seinem Fon, das er unvorsichtigerweise auf seinem Nachtschränkchen platziert hat. Er seufzt und drückt die Rufannahmetaste. Sofort erscheint das Konterfei seines fähigen, ansonsten aber ungeliebten Mitarbeiters und Vertreters Ludewig Herrschmann auf dem kleinen Display.
    «Was soll das, Lude? Was willst du um diese Zeit?» Er macht sich nicht die Mühe leise zu sprechen, denn seine Frau, der fette Brocken, der schnarchend neben ihm liegt, ist erfahrungsgemäß durch nichts zu stören, was leiser als einhundertzwanzig Dezibel daher kommt.
    «Tut mir leid, Chef», kommt es quäkend aus dem kleinen Lautsprecher, «aber ich war mir nicht sicher, ob es wichtig ist oder nicht. Das heißt, eigentlich …»
    «Was ist wichtig oder nicht?» Grothues unterdrückt den zarten sadistischen Impuls, seinem Sozius schon mal im Vorfeld grundlos die Hölle heißzumachen.
    «Freiherr von der Hohen Ward hat gerade auf dem roten Notfalltelefon angerufen und …»
    «Hohe Ward ruft nur auf dem roten Notfalltelefon an. Andere kennt der gar nicht. Und was wollte er? Ist ihm seine Frau abhanden gekommen?» Vor seinem inneren Auge taucht das Bild von Constanze Freiherrin von der Hohen Ward auf, die blonde Mähne hochgeschürzt, die Augen dumm blickend, der Mund zu einem fiesen, arroganten Lächeln verzogen. Nein, das wäre wirklich zu schön, um wahr zu sein. Wenn Frau Hochwohlgeboren verschwände, wäre er der Letzte, der nach ihr suchen würde. Und damit wäre er nicht der Einzige.
    «Nein, Chef. Schlimmer. Hohe Ward hatte eine Verabredung mit seinem Stellvertreter, Sie wissen schon, Thomas Theising, und der ist nicht erschienen.»
    «Würde ich auch nicht, wenn ich nicht müsste. Abgesehen davon rührt Theising in so vielen Töpfen, dass er einen Terminkalender braucht, der dicker ist als das Nebentätigkeitsverzeichnis unserer geschätzten Landesoberen.»
    «Na ja, ein bisschen anders ist die Sachlage schon, weil … die Verabredung sollte … äh, wie kann ich mich ausdrücken … unter dem Deckmäntelchen von … sie wissen schon … und zwar in den Kliniken. Und Theising war auch schon dort. Hat von dort angerufen. Und dann war er weg. Und wegen den Sprengmeistern …» Herrschmann lässt den Rest dezent im Äther untergehen.
    «Na gut, schickt ihm eine Hundertschaft. Die sollen alles durchkämmen. Ich hau mich wieder hin, wenns

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