Die Springflut: Roman (German Edition)
Frühstückstisch offenbar einiges mitbekommen.«
Auch Olivia lächelte und musterte das, was laut Mårten eventuell eine Suppe sein sollte. Das Gericht sah jedenfalls gut aus. Alle begannen zu essen, auch wenn Stilton für fünf Löffel der anderen nur einen aß. Er hatte immer noch Schmerzen im Bauchbereich. Mette hatte sich bisher nicht getraut, ihn nach dem Verband um seinen Kopf zu fragen.
Sie aßen.
Die Suppe enthielt Fleisch und Gemüse und war stark gewürzt, und dazu tranken sie Rotwein, während Mette von Wendts früherem Leben erzählte, als er und Bertil Magnuson die damalige Magnuson Wendt Mining gegründet hatten und schnell international erfolgreich geworden waren.
»Indem sie mit einer Menge beschissener afrikanischer Diktatoren gemauschelt haben, um deren Rohstoffe auszubeuten! Die Apartheid und Mobutu und so weiter, das ist denen doch alles scheißegal gewesen!«
Mårten war auf einmal explodiert. Er hasste sowohl die alte als auch die neue MWM . Einen großen Teil seiner linksradikalen Jahre hatte er damit verbracht, gegen das Unternehmen zu demonstrieren und empörte Flugblätter über die Ausbeutung armer Länder und die damit verbundene Umweltzerstörung zu drucken.
»Schweine!«
»Mårten.«
Mette legte eine Hand auf den Arm ihres erregten Mannes. Immerhin war er in einem Alter, in dem ein solcher Wutausbruch zu gesundheitlichen Konsequenzen führen konnte. Mårten zuckte kurz mit den Schultern und sah Olivia an.
»Wollen Sie mal einen Blick auf Kerouac werfen?«
Olivia schaute verstohlen zu Mette und Stilton hinüber, ohne dass die beiden ihr zu Hilfe geeilt wären. Mårten war schon unterwegs. Also stand sie auf und folgte ihm. Als Mårten sich in der Tür umdrehte, um zu sehen, ob sie auch mitkam, warf Mette ihm einen vielsagenden Blick zu.
Er verließ das Zimmer.
Stilton wusste genau, was dieser Blick bedeutete. Er nickte in Richtung des Kellers unter dem Küchenfußboden.
»Raucht er immer noch?«
»Nein.«
Mettes Antwort kam so schnell und fiel so kurz aus, dass Stilton begriff. Punktum. Ihm selbst war das vollkommen egal, das war es immer gewesen. Er wusste, dass Mårten sich in seinem Musikzimmer zu nächtlicher Stunde ab und zu einen Joint gönnte. Und Mette wusste, dass er es wusste und dass sie die Einzigen auf der Welt waren, die es außer dem Kiffer selbst wussten.
Und so sollte es auch bleiben.
Mette Olsäter und Stilton sahen sich an. Nach einigen Sekunden spürte Stilton, dass er nun endlich die Frage stellen musste, die ihm auf den Lippen lag, seit sie ihn auf der Straße eingeholt hatte.
»Wie geht es Abbas?«
»Gut. Er vermisst dich.«
Es wurde wieder still. Stilton strich mit einem Finger über den Rand seines Wasserglases. Ein Glas Wein hatte er dankend abgelehnt. Jetzt dachte er an Abbas, was für ihn ziemlich schmerzhaft war.
»Grüß ihn bitte von mir«, sagte er.
»Das werde ich tun.«
Dann wagte Mette es, ihre Frage zu stellen.
»Was ist mit deinem Kopf passiert?«
Sie zeigte auf Stiltons Verband, und er hatte keine Lust auf eine Ausrede, so dass er ihr erzählte, was ihm zugestoßen war.
»Du warst bewusstlos?«
Und von den Kämpfen in den Käfigen.
»Kinder, die sich in Käfigen prügeln!?!«
Und von seiner privaten Jagd auf die Mörder Vera Larssons und deren Verbindung zu den kämpfenden Kindern. Als er verstummte, war Mette spürbar aufgebracht.
»Aber das ist ja schrecklich! Das müssen wir sofort stoppen! Hast du mit den zuständigen Ermittlern gesprochen?«
»Mit Rune Forss?«
»Ja.«
Sie sahen sich einige Sekunden an.
»Großer Gott, Tom, das ist jetzt über sechs Jahre her.«
»Meinst du, ich hätte es vergessen?«
»Nein, das meine ich nicht, oder besser gesagt, das weiß ich nicht, aber wenn dir etwas daran liegt, dass wir die Männer finden, die diese Frau in ihrem Wohnwagen erschlagen haben, dann finde ich, du solltest das hinunterschlucken und auf der Stelle mit Forss reden! Hier sind Kinder betroffen! Sonst tue ich es!!«
Stilton blieb stumm. Durch den Küchenboden drangen seit Kurzem schwere Basstöne.
*
Linn Magnuson saß alleine auf ihrer eleganten Segelyacht, einer Bavaria 31 Cruiser. Das Boot lag an ihrem privaten Anleger im Sund nahe der Stocksund-Brücke. Abends saß sie gerne dort, ließ sich von den Wellen schaukeln und schaute aufs Wasser hinaus. Auf der gegenüberliegenden Seite lag die Insel Bockholmen mit ihrem schönen, alten Gasthaus. Rechts von sich sah sie Autos über die Brücke gleiten und etwas
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