Die Springflut: Roman (German Edition)
einem kleinen Jungen in Flemingsberg, er heißt Acke Andersson.«
Er verließ den Raum, ohne Rune Forss auch nur einmal angesehen zu haben.
Kurz darauf waren Forss und Klinga auf dem Weg in die Kantine. Forss stand Stiltons Informationen sehr skeptisch gegenüber.
»Kinder, die in Käfigen gegeneinander antreten? Bei uns in Schweden?! Verdammt, davon hätten wir doch mit Sicherheit längst etwas gehört. In meinen Ohren klingt das total irre.«
Klinga antwortete nicht. Forss deutete an, dass Stilton möglicherweise wieder ein Opfer seiner Psychosen geworden sei und eine völlig absurde Geschichte halluziniert habe.
»Oder was meinst du? Kid Fighters? Denkst du, an der Sache könnte wirklich etwas dran sein?«
»Keine Ahnung«, antwortete Klinga.
Er war sich längst nicht so sicher, dass Stiltons Informationen abwegig waren, und beschloss, die Trashkick-Filme noch einmal durchzugehen, um zu sehen, ob er dieses Tattoo finden konnte.
Später, allein.
*
Ovette Andersson ging den Karlavägen hinab. Schwarze Stilettos, ein enger, schwarzer Rock und eine kurze, braune Lederjacke. Sie hatte gerade einen Kunden in einem privaten Parkhaus in der Banérgatan gehabt und war wieder dort abgesetzt worden, wo sie in den Wagen gestiegen war. Dies war eigentlich nicht ihr angestammtes Revier, aber es hatte Gerüchte gegeben, dass an der Mäster Samuelsgatan Fahnder unterwegs waren, deshalb hatte sie sich hierhin verzogen.
Sie zog ihren Lippenstift nach und bog auf dem Weg zur U-Bahn in die Sibyllegatan. Plötzlich sah sie in einem Geschäft auf der anderen Straßenseite ein bekanntes Gesicht.
In der Boutique Schräg & Schön .
Ovette blieb stehen.
So sah also ihr Laden aus, ihre schicke Fassade. Sie hat sich weit davon entfernt, Schwänze zu lutschen, während einem Koks aus der Nase läuft, dachte sie. Es war das erste Mal, dass sie an Jackie Berglunds Laden vorbeikam. Es war nicht ihre Gegend, jedenfalls heute nicht mehr, aber es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der Ovette sich in Östermalm ziemlich gut ausgekannt hatte, auch wenn das heute kaum zu glauben war.
In der Zeit vor Acke.
Schräg und schön, dachte sie. Wirklich pfiffig. Aber Jackie war schon immer clever gewesen, clever und berechnend. Ovette überquerte die Straße und blieb vor dem Schaufenster stehen. Wieder sah sie die elegante Frau in dem Laden, die sich im selben Moment umdrehte und Ovette direkt in die Augen sah. Ovette hielt ihrem Blick stand. Früher, Ende der achtziger Jahre, waren sie Kolleginnen gewesen, Escortgirls bei Gold Card . Sie, Jackie und Miriam Wixell. Miriam war ausgestiegen, als sexuelle Dienste gefordert wurden. Ovette und Jackie hatten weitergemacht und gutes Geld verdient.
Jackie war die clevere von ihnen gewesen, die jede Chance ergriffen hatte, die Klientel kennenzulernen, für die sie da sein sollten. Ovette war einfach nur mitgelaufen und hatte mit ihren Kunden nur gelegentlich und ohne jeden Hintergedanken etwas Kokain geschnupft. Als Gold Card aufgelöst wurde, übernahm Jackie Berglund das Geschäft von Carl Videung unter dem neuen Namen Red Velvet . Ein exklusiver Escortservice für einen kleinen, exklusiven Kundenkreis. Ovette folgte Jackie in die neue Firma, arbeitete ein paar Jahre für sie und wurde von einem Kunden schwanger.
Das war nicht gut.
Jackie Berglund hatte von ihr verlangt, das Kind abtreiben zu lassen, aber Ovette hatte sich geweigert. Sie erwartete zum ersten und wahrscheinlich auch zum letzten Mal ein Kind. Sie wollte es behalten, also hatte Jackie sie buchstäblich auf die Straße geworfen, wo sie sich mit einem neugeborenen Kind hatte durchschlagen müssen, so gut es eben ging.
Acke. Der Sohn eines Kunden, dessen Identität nur Ovette und Jackie bekannt war. Nicht einmal der Kunde selbst wusste Bescheid.
Jetzt standen sie sich nur durch eine Schaufensterscheibe getrennt Auge in Auge gegenüber. Die Hure vom Straßenstrich und die Luxusnutte. Am Ende schlug Jackie Berglund die Augen nieder.
Hat sie nicht sogar ein bisschen ängstlich ausgesehen?, dachte Ovette, blieb noch einen Moment stehen und beobachtete, wie Jackie, der Ovettes Anwesenheit auf der Straße bewusst war, in ihrem Laden aufräumte.
Sie hat Angst vor mir, dachte Ovette, weil ich Bescheid weiß und das ausnutzen könnte. Aber das würde ich niemals tun, denn ich bin nicht wie du, Jackie Berglund. Das ist der Unterschied zwischen uns, der dazu führt, dass ich auf den Strich gehe und du da drinnen stehst. Aber das muss mir die
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