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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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Sie schämte sich nicht dafür, im Gegenteil, es war für sie ein Weg gewesen, sich über Wasser zu halten. Allerdings leugnete sie entschieden, dass es zu sexuellen Dienstleistungen gekommen sei.
    »Wir waren wie Geishas, kultivierte Gesellschaftsdamen, wurden zu Veranstaltungen und festlichen Diners eingeladen, um für bessere Stimmung zu sorgen, außerdem haben wir Kontakte geknüpft.«
    Auf dieses Knüpfen von Kontakten kam sie mehrmals zurück. Als Eva ihr zu entlocken versuchte, was für Kontakte das gewesen waren, antwortete Jackie Berglund ausweichend, fast schon abweisend. Sie fand, dass das ihre Privatsache war.
    »Aber waren das geschäftliche Kontakte?«, fragte Eva Carlsén.
    »Was denn sonst?«
    »Freundschaftliche Kontakte.«
    »Sowohl als auch.«
    »Stehen Sie mit diesen Leuten auch heute noch in Kontakt?«
    »Mit manchen.«
    In diesem Stil ging es weiter. Es war, zumindest für Olivia, leicht herauszuhören, worauf Eva Carlsén hinauswollte, sie versuchte ganz offensichtlich herauszufinden, ob Kontakte mit Kunden gleichzusetzen waren. Nicht Kunden der Boutique, sondern Kunden in dem Geschäft, für das die Boutique als Fassade diente. Red Velvet .
    Jackie Berglunds Escortservice.
    Aber diese Frau war viel zu gerissen, um darauf hereinzufallen. Als Eva Carlsén zum vierten Mal auf ihre Kunden zurückkam, musste sie schmunzeln. Ihr Grinsen verschwand jedoch blitzschnell, als Eva Carlsén ihre nächste Frage stellte.
    »Haben Sie eine Kundenkartei?«
    »Für meine Boutique?«
    »Nein.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Eine Kundenkartei für Ihr anderes Geschäft als Lieferantin von Escortgirls? Für Red Velvet ?«
    Olivia konnte es nicht fassen, dass Eva Carlsén es gewagt hatte, ihr diese Frage zu stellen. Ihr Respekt vor der Journalistin wuchs. Offenbar konnte auch Jackie Berglund es nicht ganz fassen, dass jemand es gewagt hatte, ihr diese Frage zu stellen. Sie sah Eva mit einem Blick an, der plötzlich aus einer völlig anderen, einer verbotenen Welt kam. Es war ein Blick, der Olivia sofort Eva Carlséns Warnung in Erinnerung rief. Einer Frau mit einem solchen Blick sollte man lieber nicht hinterherschnüffeln.
    Erst recht nicht, wenn man dreiundzwanzig Jahre alt war, im Grunde keinerlei Beweise hatte und sich ausmalte, man wäre Sherlock Holmes.
    Olivia konnte es sich nicht verkneifen, sich selbst über ihre Notebookkamera zuzulächeln, bis ihr plötzlich einfiel, dass die deutsche Polizei einen Trojaner entwickelt hatte, der sich auf ihrem Notebook einnisten und alles registrieren konnte, was vor der Kamera geschah.
    Sie schob den Bildschirm ein bisschen weiter weg.
    *
    Es war fast Mitternacht, als Jelle in seinem stickigen Schuppen aufwachte. Langsam, mühsam, mit verklebten Augen und einem ekelhaften Geschmack im Mund. Er hatte einen höllischen Kater und hatte sich übergeben, woran er sich allerdings überhaupt nicht erinnern konnte. Sachte stemmte er sich etwas hoch und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er sah nächtliches Licht durch die Ritzen zwischen den Brettern hereinsickern. Sein Gehirn war benebelt. Lange blieb er so sitzen und spürte eine heiße Wut in sich aufsteigen, von der ihm fast schwarz vor Augen wurde. Er sprang auf und trat mit aller Kraft gegen die Tür. Die Bretter flogen in alle Richtungen. Der Mord an Vera und sein eigener Verrat an ihr füllten ihn völlig aus. Krachend schlug er mit einer Hand gegen den Türrahmen und trat nach draußen.
    Aus der Leere.
    Es war weit nach Mitternacht, als er links neben dem Katarinaparkhaus die Steintreppen hinaufstieg, die vom Katarinavägen zum Klevgränd hinaufführten, vier Absätze mit insgesamt 119 Steinstufen nach oben und ebenso vielen nach unten, mit einer Straßenlaterne auf jedem Absatz.
    Es fiel dichter, warmer Regen, aber das machte ihm nichts aus.
    Er hatte beschlossen, dass die Zeit reif war.
    Früher, in uralten Zeiten, war er athletisch gebaut gewesen. Ein Meter zweiundneunzig groß und muskulös. Das war er heute nicht mehr. Er wusste, dass seine Kondition miserabel und seine Muskulatur fast verkümmert war, dass sein Körper jahrelang brachgelegen hatte und er fast ein Wrack war.
    Fast.
    Das würde er jetzt ändern.
    Schritt für Schritt stieg er die Treppe hinauf und nahm die Zeit. Er benötigte sechs Minuten bis zum Klevgränd hinauf und vier Minuten, um wieder hinunterzukommen. Als er zum zweiten Mal hochging, verließen ihn die Kräfte.
    Er ließ sich auf den ersten Treppenabsatz fallen und spürte, wie

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