Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
den Behörden übergeben, damit nicht auch noch Jouma in diese leichtsinnigen Dummheiten verwickelt wurde. Der Junge würde natürlich sauer sein, aber Jake würde dafür sorgen, dass er einen anständigen Anwalt bekam. Außerdem würden Alex ein paar Nächte in Kingorani durchaus helfen, mal wieder einen klaren Kopf zu bekommen und sich aufs Wesentliche zu besinnen.
Leider bedeutete das immer noch, dass die Buchungen für den heutigen Tag abgesagt werden mussten.
»Ich mach’s wieder gut, Harry«, versprach er verlegen.
Sein Freund bedachte ihn mit einem finsteren Blick: »Und ich dachte immer, ich wäre der Risikofaktor in dieser Partnerschaft.«
55
A m Eingang zum schmalen Durchgang zur Ndia Kuu zog Jouma einen Jeans-Overall über seinen Anzug, griff sich seine Taschenlampe und dachte dabei über einen unauffällig aussehenden Baum mit essbaren Knospen und Blüten nach, den Moringa.
»Haben Sie schon gehört?«, hatte Christie ihn morgens am Telefon gefragt.
»Natürlich habe ich vom Moringa gehört.«
Es war acht Uhr gewesen, und der Pathologe hatte ihn zu Hause angerufen, was sonst so gut wie nie vorkam. Doch am Telefon drückte er sich genauso ärgerlich nebulös aus wie im persönlichen Gespräch.
»Und was ist mit dem Spirochin?«
Jouma hatte in die Küche geblickt, wo Winifred Alex Hopper bemutterte.
»Könnten Sie bitte zum Thema kommen? Ich habe viel zu tun.«
»Spirochin ist ein Alkaloid, das in den Wurzeln des Moringa-Baums vorkommt«, hatte Christie erklärt. »Es ist ein ausgesprochen starkes Nervengift, das vorübergehende Lähmungen bewirken kann – obwohl es in höheren Dosen durchaus auch töten kann.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Spuren dieses Gifts wurden im Blut des Mannes gefunden, der vom Fort Jesus gestürzt ist. Die Analysen sind gerade vom Labor in Nairobi zurückgekommen.«
»Spuren? Wollen Sie damit sagen, er wurde vergiftet?«
»Es trifft die Sache eher, wenn ich sage, er wurde vorübergehend bewegungsunfähig gemacht, Jouma. Die Wirkung kann je nach Dosis mehrere Stunden anhalten, hochdosiert bis zu vierundzwanzig. Sie hatten doch erwähnt, dass der Mann etwas unsicher auf den Beinen zu sein schien?«
»Die Zeugin hielt ihn für betrunken.«
»Tja, ich würde tippen, dass er höchstwahrscheinlich noch mit den Nachwirkungen dieses Nervengifts kämpfte. Spirochin ist ganz schön stark. Da kann man schon mal ein bisschen wacklige Knie bekommen.«
Dann hatte der Pathologe erklärt: »Ich hab mir die Leiche noch mal angesehen. Keine Ahnung, warum ich das beim ersten Mal übersehen habe – aber direkt in der rechten Kniekehle hab ich einen winzigen Einstich gefunden. Ihr Mann hat tatsächlich eine Injektion bekommen, mein Lieber.«
Christie war weiß Gott selten der Überbringer froher Botschaften, aber als Jouma die Taschenlampe anschaltete und die enge Gasse betrat, dachte er bei sich, dass er schon lange nicht mehr so gute Neuigkeiten gehört hatte.
Neben ihm stand ein bulliger Polizist, den er vom Präsidium mitgenommen hatte. Jetzt blickten die beiden Männer auf den schweren, runden Gullydeckel.
»Heben Sie ihn hoch, Nambu«, bat Jouma.
Der Mann kauerte nieder und hievte den Deckel mit nicht unerheblicher Mühe beiseite. Dann kniete sich Jouma neben ihn und leuchtete mit seiner Taschenlampe in den kreisrunden Abgrund. Er konnte eine rostige Leiter erkennen, die in ein ebenso altersschwaches, metallenes Abwasserrohr führte, das in nord-südlicher Richtung unter der Gasse verlief. Jouma überlegte, wie es wohl wäre, wenn man ganz durch dieses Rohr blicken könnte, bis ins Herz von Mombasa Island, so wie Christie die Arterien seiner toten Patienten erforschte. Was würde er zu sehen bekommen? In seiner Phantasie waren diese Kanäle voller Krankheiten, voller bösartiger, inoperabler Tumore, die an der Stadt schmarotzten und ihr das Leben aussaugten.
»Warten Sie hier auf mich, Constable«, befahl er.
Nambu sah ihn erstaunt an. »Soll nicht lieber ich da runtergehen, Sir?«
Jouma schüttelte den Kopf. »Das fällt in den Aufgabenbereich der Kriminalpolizei«, erklärte er. »Ich bin gleich wieder da.«
Nachdem er sich ein Taschentuch über Nase und Mund gebunden hatte, begann er vorsichtig seinen Abstieg in die Kanalisation. Wenig später spürte er schon die feuchtkalte, stinkende Luft auf seinem Gesicht.
56
E ine Ratte kletterte über Bobby Spurlings nackte Brust. Ihre scharfen Klauen gruben sich tief in sein dickliches Fleisch. Bobby, der mit über
Weitere Kostenlose Bücher