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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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Theresa es schaffte, sie derartig zu verunsichern.
    »Ach echt, um was geht’s denn?«
    Langsam,aber sicher wurde ihr Theresas Hartnäckigkeit lästig. »Ich habe mit dem Buch erst angefangen, und es … es ist noch gar nicht spruchreif.«
    Theresa machte ein verblüfftes Gesicht. »Macht doch nichts, jetzt spann mich nicht so auf die Folter, worum geht’s denn?«
    Fiona seufzte. Warum hatte sie bloß die Tür geöffnet? »Um ein entführtes Baby«, erzählte sie schließlich.
    »Ach, wirklich?«
    Theresa sah sie mit großen Augen an und wollte gerade ansetzen, die nächste Frage zu stellen, als ein junger stämmiger Mann mit einem Paket die Treppe hinaufkam.
    »Frau Seeberg?«, versicherte er sich und verschnaufte.
    Fiona nickte. Kurzzeitig hatte sie wieder das Bild vor Augen, wie sie damals dem Fahrradkurier geöffnet und das Päckchen mit der weißen Lilie entgegengenommen hatte.
    »Hier sind die Einladungskarten für die Party. Herr Riedel muss die bitte noch unterschreiben«, sagte der Mann und Fiona zwang sich, den Gedanken an damals zu verbannen.
    Es dauerte einen Augenblick, ehe Fiona begriff, was er wollte, und einen Schritt beiseite machte, damit er das Paket im Wohnungsflur abstellen konnte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »HerrRiedel soll dann einfach anrufen, wenn er fertig ist. Dann kommt jemand vorbei, der die Karten abholt.«
    »Ich richte es ihm aus«, meinte Fiona noch, als der Mann schon wieder die Treppen hinuntereilte.
    »Party?«, fragte Theresa nach.
    Fiona zuckte mit den Achseln. »Adrian, mein Verlobter, hat vor kurzem sein Restaurant renoviert und feiert am nächsten Freitag vierjähriges Jubiläum«, erklärte sie, während sie im Kopf nach einer Ausrede suchte, um Theresa endlich abzuwimmeln.
    »Ach ja? Um welches Restaurant geht’s denn?«
    »Die Riedelei. « Fiona machte eine kurze Pause. »Wenn du Lust hast, komm doch vorbei«, sagte sie notgedrungen, um nicht allzu unhöflich zu wirken. »So ab acht, ist gleich am Wasserturm.«
    Theresa nickte. »Freitag? Warum eigentlich nicht. Ich werde sehen, ob ich’s einrichten kann.«
    Mit den Worten »Vielleicht bis dann« verabschiedeten sie sich.
    ***
    (Währenddessenrund einhundert Kilometer vor Berlin)
    Was auch immer geschieht, lass die Augen zu. Anne presste ihre Lider weiterhin fest aufeinander, während die Schritte neben ihr durch die Kammer schlurften. Wer auch immer jetzt hier unten war, schien es nicht sonderlich eilig zu haben. Kurzzeitig musste Anne daran denken, wie sie sich als kleines Mädchen vor ihren Brüdern versteckt hatte, fest überzeugt, unsichtbar zu sein, solange sie nur die Augen geschlossen hielt. Eine Spur von Zigarettenrauch mischte sich in den allgegenwärtigen Verwesungsgestank. Im hinteren Teil der Kammer wurde ein Poltern laut. Krampfhaft versuchte Anne, an etwas Schönes zu denken. Sie führte sich die weißen Sandstrände aus dem Italienprospekt vor Augen. Lars’ sonnengebräuntes Gesicht, seine hellen, buschigen Brauen und seine tiefblickenden Augen, die so blau waren wie das Meer.
    Doch die Bilder verblichen, als Anne hörte, wie das Glas mit den Rasierklingen auf dem Campingtisch ausgeschüttet wurde. Gleichzeitig vernahm sie ein sonderbares Nuscheln. Es klang wie eine fremdartige Sprache, die nicht existierte.
    War das eine Männerstimme?
    Sie war sich nicht sicher. Die Schritte kamen wieder auf sie zu. Anne hielt den Atem an, als sie plötzlich eine Klinge an ihrem Kinn spürte. Anne zitterteam ganzen Körper, obgleich sie sich alle Mühe gab, es zu verbergen. Ganz langsam wanderte die Klinge ihren Hals hinab bis zu ihrem Kehlkopf. Sie hörte ein stoßartiges, schweres Schnaufen, bevor die Klinge weiter in Richtung ihres Dekolletés fuhr und die Knöpfe ihrer Bluse abtrennte.
    »Nein, bitte – bitte nicht!«, flehte Anne mit geschlossenen Augen, als das scharfe Metall ihren BH in der Mitte durchschnitt. Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten, die ihr über die Wangen kullerten, als sie den brennenden Schmerz der Klinge spürte. Ein tiefer Ritz pochte in ihrer Haut. Ein zweiter folgte. Dann ließ die Klinge abrupt von ihr ab. Anne hörte ein leises Auflachen.
    Ein Mann? Ja, es war ein Mann. Ganz sicher.
    Die Schritte entfernten sich. Noch einmal ertönte ein Rumpeln im hinteren Teil der Kammer. Die Kette rasselte. Ein Schloss schnappte zu. Dann war es wieder still.
    Anne riss die Augen auf, schnellte mit ihrem Oberkörper hoch und rang nach Luft. Ihre Pupillen irrten

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