Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
doch das war mir egal. Ray Noccia hatte mir bereits das Schlimmste verraten– dass er und mein Vater zusammengearbeitet hatten.
Mit zitternder Hand schob ich den Schlüssel in die Haustür. Ich hoffte, Ray Noccia nie wieder sehen oder von ihm hören zu müssen.
Doch das war eher unwahrscheinlich.
Zweiter Teil
Nummer dreizehn
25
Das Morgenlicht umschmeichelte die Müllberge mit einem rosigen Glanz, und die Möwen schrien Zeter und Mordio, als sie über den sich quadratkilometerweit erstreckenden Abfall huschten. Es gab Frühstück.
Justine hielt am Straßenrand und blickte über die Landschaft. Ich drehte an ihrem Polizeifunkgerät, bis das Signal deutlich zu hören war. Sie öffnete ihre Thermosflasche und reichte sie mir. Ich nahm einen Schluck.
Schwarzer Kaffee ohne Zucker. Genau so mochte Justine so ungefähr alles– keine Umwege, kein Gedöns.
Wir hatten seit mehr als zwei Jahren keinen intimen Kontakt mehr, doch als ich jetzt in diesem begrenzten Raum neben ihr saß, fiel es mir schwer, nicht nach ihrer Hand zu greifen. Das war immer verwirrend gewesen, selbst während unserer Beziehung.
»Wie klappt’s bei dir?«, fragte sie.
Cops wühlten in dem Müll auf der anderen Straßenseite. Wir hörten über Polizeifunk, wie sie mit der Einsatzzentrale sprachen.
»Andy Cushman hat ungefähr zwanzig angepisste ehemalige Kunden, von denen jeder die Mittel, die Gelegenheit und besonders ein Motiv gehabt hätte, ihn zu töten. Warum also sollten sie stattdessen Shelby töten? In dem Punkt komme ich nicht weiter.«
»Tut mir leid, das zu hören, Jack. Aber ich meinte, wie es bei dir persönlich läuft.«
Eigentlich meinte sie, wie es mit mir und Colleen klappte, doch dieses Thema wollte ich mit ihr nicht vertiefen. »Ich arbeite an einem neuen Fall«, redete ich mich raus. »Der ist strapaziös und persönlich. Erinnerst du dich, dass ich dir von meinem Onkel Fred erzählt habe?«
»Der Football-Typ.«
»Genau. Er macht sich Sorgen, dass einige seiner Spiele manipuliert wurden. Könnte in einem riesigen Skandal enden, dem größten seit dem Baseballskandal mit den Black Sox.«
»Wow«, sagte Justine nur.
»Ich habe wieder diese Träume«, wechselte ich das Thema.
Justine hob die Augenbrauen. Ich hatte mich mit ihr nur unterhalten wollen, doch jetzt musste ich wirklich mit ihr reden. Sagt man einem Seelenklempner, man träume, ist das, als würde man einer Katze eine Plüschmaus vor die Nase halten.
»Träume worüber?«, fragte sie. »Und sie wiederholen sich?«
Also erzählte ich ihr davon. Ich beschrieb die Explosionen, wie ich mit jemandem, den ich liebe, über meiner Schulter davonrenne, uns aber nicht in Sicherheit bringen kann.
»Könnte das schlechte Gewissen des Überlebenden sein, vermute ich. Was meinst du, Jack?«
»Ich hätte gerne, dass die Träume aufhören.«
»Deine Einzeiler sind immer noch komisch«, merkte sie an.
Ich öffnete den Ordner, den ich unter die Armlehne geklemmt hatte, und sah mir die Fotos an, die Bobby Petino am Morgen an Justines E-Mail-Adresse geschickt hatte. Es war das Porträt eines hübschen sechzehnjährigen Mädchens namens Serena Moses. Sie war am Abend zuvor als vermisst gemeldet worden. Serena wohnte in Echo Park, einem Viertel im Osten von L. A., das Justine die »rote Zone« nannte, dort, wo die Schulmädchen getötet wurden.
Zwei Stunden nach der Vermisstenmeldung war ein anonymer, nicht rückverfolgbarer Anruf bei der Polizei eingegangen. Serenas Leiche liege hier auf der Müllkippe.
Genau in dem Moment hörte ich Stimmen im Polizeifunk, eine schärfer und lauter als die andere.
»Ich hab was. Könnte ein Mensch sein. Oh, Gott…«
»Gehen wir.« Ich öffnete die Wagentür.
»Nein, Jack«, hielt Justine mich auf. »Ich muss das allein tun. Wenn du mitkommst, verliere ich mein Ansehen. Bleib einfach hier.«
Ich stimmte ihr zu. Sie ging über die leere Straße dorthin, wo die Polizei bereits einen Bereich des stinkenden Gebiets absperrte.
26
Justine winkte Lieutenant Nora Cronin zu, die ihr wie immer nur einen schäbigen Blick schenkte, bevor sie sich wieder dem schwarzen Plastiksack zuwandte, der wie ein geplatzter Ballon zu ihren Füßen lag.
Justines Brustkorb zog sich zusammen, als sie sich an eine andere Schülerin erinnerte, die ein Jahr zuvor hier in einem ähnlichen schwarzen Plastiksack abgeladen worden war. Sie hatte Laura Lee Branco geheißen und war an einem Messerstich mitten durchs Herz gestorben.
Cronin schnitt das Band mit
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