Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
mit den Fingernägeln kratzen. Jedenfalls hoffen wir das. Wäre schön, wenn sich das Blatt für uns endlich wenden würde.«
»Was ist mit ihrer Handtasche? Wurde sie gefunden?«
»Nein, die ist weg, ebenso wie ihre Schuhe. Damit haben Sie also die Unterschrift. Ein paar Kinder haben sie vor einer Stunde gefunden und angerufen.«
Justine berührte die kalte Wange des Mädchens. Marguerite war hübsch gewesen, und vor allem sah sie stark aus. Die blauen Flecke an ihren Armen und im Gesicht ließen darauf schließen, dass sie ein paar Schläge hatte einstecken müssen, bevor sie gestorben war.
»Die Pose ist eindeutig theatralisch«, erklärte Justine. »Diese Vorgehensweise unterscheidet sich von der bei den anderen Morden, was leider das Kennzeichen dieser Mordserie ist. Die Frage ist: Warum wurde Marguerite so schnell nach Connie Yu getötet? Und warum wurde sie erschossen und dann so drapiert, als wäre sie erhängt worden?«
41
Scyllas Luxuswohnung lag am Burton Way im obersten Stock eines schicken sechsstöckigen Gebäudes. Die rund ums ganze Haus laufende Terrasse bot einen Blick über die Stadt und die umliegenden Hügel. Scylla hatte nie richtige Freunde gehabt, doch die Wohnung ermöglichte ihm wenigstens, oberflächliche Bekanntschaften zu pflegen und sogar Damenbesuch zu empfangen.
Im Moment beobachtete Jason, wie die Lichter der Stadt mit dem Universum verschmolzen. Der Ausblick war echt umwerfend, konnte diesmal jedoch seine Ehrfurcht nicht wecken.
Er ging wieder hinein, schaltete den Fernseher ein und sah sich ein Spiel an, bei dem die Boston Celtics von den Lakers eins auf die Mütze bekamen. Ihm war es völlig wurst, wer das dumme Spiel gewann, nach dem langweilige Männer ohne Vorstellungskraft und Talent verrückt waren.
Jason ging viel durch den Kopf, doch er war so mit Schmerzmitteln abgefüllt, dass er seine Fähigkeit zum vernünftigen Denken anzweifelte. Er würde seinen Kollegen das Pflaster quer über der Nase, die Blutergüsse um die Augen und den Verband an seinem Arm erklären müssen. Wie würde er sich herausreden?
Morbid hatte sich inzwischen angekündigt, um wegen einer zweiten Chance mit ihm zu reden. Sie hatten Nachrichten ausgetauscht. Morbid war wütend, weil er es gewesen war, der Scylla rekrutiert hatte.
Die Nachrichten enthielten eine nicht greifbare Drohung, doch eindeutig auch das Angebot einer Wiedergutmachung. Morbid hatte, um Scylla einen Gefallen zu tun, Steem zu einer außerplanmäßigen Nacht in der Stadt überredet, um Scylla die Chance zu geben, den ihm anhaftenden Makel zu beseitigen. Morbid hatte gesagt, sie hätten bereits ein Täubchen ausgesucht. Und genau an diesem Abend würde sich Scylla um sie kümmern müssen.
»So schnell schon?«, hatte Jason gezweifelt.
»Hast du ein Problem damit?«, hatte Morbid zurückgefragt.
»Nein. Heute Abend passt gut.«
Als an der Tür geklingelt wurde, erhob sich Jason vom Sofa, hinkte in den Flur und drückte die Taste der Sprechanlage.
»Ich bin’s«, meldete sich Morbid. »Und Steem.«
»Kommt nach oben.«
Er würde ein weiteres Mädchen töten– doch diesmal sah ihm die Sache weder nach Spiel noch nach Spaß aus.
42
Als Scylla die Wohnungstür öffnete, trat Steemcleena ein, dicht gefolgt von Morbid. Sie wirkten zielbewusst und ernst, was Jason das Gefühl vermittelte, die beiden müssten schon lange befreundet sein, vielleicht auch außerhalb des Spiels. Eigentlich war es toll, dass die beiden ihn daran teilhaben ließen.
»Wie geht’s der Nase?«, fragte Morbid und setzte sich breitbeinig in den Ledersessel, während sich Steem die Bücherregale anschaute.
»Ganz okay. Wollt ihr ein Bier?«, fragte Jason.
»Ich nicht, danke. Hübsche Wohnung, Scylla.« Steem trat an die Terrassentür. »Toller Ausblick.«
»Warte, ich mach das.« Jason humpelte ihm hinterher und schob die Glastür zur Seite. »Ist echt geil– man kann bestimmt fünfzig Kilometer weit gucken.«
Steemcleena stieß einen Pfiff aus. »Hey, Morbid, das solltest du dir ansehen. Komm raus, Mann. Ist wie im Kino. Cineastisch.«
Jason schob einen Metallbistrostuhl zur Seite, so dass sie alle drei nebeneinander den Ausblick auf L. A. genießen konnten.
»Siehst du das?«, sagte Steemcleena zu Jason und deutete auf einen Van auf der anderen Straßenseite. »Das ist die Wiedergutmachung für dich, Partner. Die heutige Fahrt. Kannst du dir vorstellen, dass du eine zweite Chance bekommst?«
»Klar«, antwortete Scylla.
»Bekommst du aber
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